„No hay otras interpretaciones – Es gibt keine anderen Auslegungen“

Papst Franziskus hat im Amtsblatt des Vatikans, den „Acta apostolicae sedis“ vom 7. Oktober 2016 (AAS 108 [2016] 1071-1074), einen viel beachteten Brief der Bischöfe der Provinz Buenos Aires vom September 2016 sowie sein Dankschreiben dafür veröffentlichen lassen. Kardinalstaatssekretär Parolín fügte hinzu, dass es sich dadurch bei beidem um eine Äußerung des authentischen Lehramtes handele. In ersten Kommentaren wurde diese Tatsache vielfach so dargestellt, dass nun der Streit der Interpretationen über sein nachsynodales Schreiben „Amoris laetitia“ (AL) entschieden ist. So meinte Kardinal Walter Kasper in einem Gastkommentar bei „Radio Vatikan“: „Durch die amtliche Veröffentlichung des Briefs von Papst Franziskus an die Bischöfe der Region Buenos Aires ist die leidige Auseinandersetzung um das Apostolische Schreiben Amoris laetitia hoffentlich beendet.“

„No hay otras interpretaciones. – Es gibt keine anderen Auslegungen,“ lautet dabei der viel zitierte Schlüsselsatz des Papstes. So hieß es, hier sei nun endlich auch die Antwort auf die „Dubia“ der Kardinäle und überhaupt auf alle Kritiker gegeben. Insbesondere was die entscheidende Frage nach der Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene angeht, so sei nun die Antwort klar: Ja, in Einzelfällen nach entsprechender pastoraler Begleitung. Ist nun wirklich alles klar? Roma locuta, causa finita? Gehorchen und den Mund halten? Oder umgekehrt, wie es nach dem Brief der Argentinier aus Kreisen der Piusbruderschaft rasch vorgebracht wurde: Jetzt endlich habe man es schwarz auf weiß, dass der Papst die traditionelle Lehre verlassen habe. Mitnichten! Wieso? Dazu muss man „ad fontes“ gehen, wie es jede gute Wissenschaft der Textauslegung verlangt, d.h. den Brief der argentinischen Bischöfe im Einzelnen studieren. Das nimmt viel Druck heraus, entzieht der Polemik den Boden, vermeidet Vereinnahmungen und kommt zu realistischen Einschätzungen.

Quelle: radiovaticana.va

Der Brief der argentinischen Bischöfe, von nahmen betrachtet

Bei der Lektüre dieses knappen Schreibens fällt Mehreres auf:

1. Die Bischöfe legen „einige Minimalkriterien (criterios mínimos)“ vor (Vorwort). Dabei sei es jedoch der Autorität jedes einzelnen Bischofs vorbehalten, diese Kriterien „zu präzisieren, ergänzen und einzugrenzen (precisarlos, completarlos o acotarlos)“. Es handelt sich also weder um eine vollständige noch eine endgültige oder gar den Einzelbischof bindende Weisung, sondern eher um einen Orientierungsrahmen, der nun freilich in das päpstliche Lehramt aufgenommen wurde. Aufschlussreich ist es, dass dabei durchaus auch eine Eingrenzung des Vorgelegten legitim erscheint.

2. Überhaupt ist die bischöfliche Weisung als Pastoralanweisung („disciplina“) und nicht als Auslegung der katholischen Lehre („doctrina“) zu verstehen, d.h. unter Voraussetzung der weiterhin geltenden Lehre der Kirche zu Ehe, Wiederverheiratung und Zugang zu den Sakramenten erfüllen die Bischöfe hier den Auftrag von AL 300: „Die Priester haben die Aufgabe, die betroffenen Menschen entsprechend der Lehre der Kirche und der Richtlinien des Bischofs auf dem Weg der Unterscheidung zu begleiten“ (AL 300, Hervorhebung A.W.; man beachte die Abgrenzung der „Lehre der Kirche“ auf der einen Seite und der „Richtlinien des Bischofs“, die hier gemeinsam von den Bischöfen der Pastoralregion der argentinischen Hauptstadt entwickelt werden). Theologisch und kirchenrechtlich gesprochen, üben die Oberhirten hier ihre jurisdiktionelle und nicht ihre Lehrautorität aus. Freilich hat diese pastorale Weisung zweifellos auch lehrmäßige Voraussetzungen und Implikationen. Welche das allerdings sind, wird hier in weiser Zurückhaltung nicht bestimmt (und auch das Antwortschreiben des Papstes tut dies nicht). Bei dieser entscheidenden Frage kann und muss die Diskussion weitergehen, und dabei unterschiedlicher Auffassung zu sein schmälert nicht den „religiösen Gehorsam des Verstandes und des Willens“, den jeder Gläubige Äußerungen des authentischen Lehramtes schuldet.

3. Überraschend klar grenzt sich die Pastoralanweisung der Bischöfe von einer eigentlichen Zulassung („permisos“) zu den Sakramenten ab (1); vielmehr geht es um Kriterien für den „Unterscheidungsprozess, der durch einen Hirten begleitet ist“ (1). Die äußere, öffentliche Zulassung zur Eucharistie im forum externum nach c. 915 ist darum hier gar nicht direkt berührt, sondern es geht um die Klärung der persönlichen Disposition zu ihrem Empfang im forum internum (c. 916).

4. Leicht übersehen wird der Schlüsselsatz für diesen Unterscheidungsprozess, dass darin die Kirche bei einem Büßer (penitente) – es wird also vorausgesetzt, dass die Betroffenen um die Irregularität ihres Zustandes wissen und ihn bedauern! – „seine rechte Absicht und seinen guten Vorsatz annehmen, sein ganzes Leben in das Licht des Evangeliums zu stellen und die Liebe zu verwirklichen“ (3). Rechte Absicht und guter Vorsatz sind moraltheologische Fachbegriffe und bezeichnen die Ausrichtung der Handlungen auf das gottgewollte Ziel und das ernsthafte Bemühen, es im eigenen Verhalten auch zu erreichen. So schließt diese Liebe die Bereitschaft ein, ausnahmslos alle Gebote zu erfüllen und in diesem Sinn das „ganze Leben in das Licht des Evangeliums zu stellen“ (Hervorh. A.W.). Nur wo diese Absicht und dieser Vorsatz gegeben ist, können die weiteren Weisungen der Punkte (4) bis (10) greifen! Folgerichtig erinnern die Bischöfe nämlich daran, dass dieser Prozess keineswegs immer zum Sakramentenempfang führe (4), dass die Option Enthaltsamkeit von „Familiaris Consortio“ 84 auch weiterhin gilt, auch und gerade wenn sie nicht gleich gelingt (5), und dass die Nichtigkeit der ersten Ehe geprüft werden sollte (6). Nur nebenbei sei erwähnt, dass eine Segnung der neuen Verbindung nicht vorgesehen ist.

5. Doch was, wenn dies alles in „komplexeren Umständen“ (6) nicht gangbar erscheint? Erst in diesem Fall kommt die viel beachtete „Möglichkeit des Zugangs zu den Sakramenten der Versöhnung und der Eucharistie“ im Sinn der berühmten Fußnoten 336 und 351 von AL am Ende eines Unterscheidungsprozesses und unter Berücksichtigung der mildernden Umstände nach AL 301-302 zur Geltung. Ist das jetzt die große Neuerung? Hier muss die Diskussion erst eröffnet werden. Die Bischöfe geben allerdings einige Hinweise: 1. Die Sakramente dienen dann ihrerseits zu einem Wachstum in der Kraft der Gnade (6). 2. Der Zugang zu den Sakramenten ist nicht allgemein, sondern auf Einzelfälle begrenzt (7). 3. Er setzt zudem voraus, dass das Verhältnis zu Kindern und dem verlassenen Partner geklärt ist (8) und dass die Trennung und Scheidung nicht erst vor kurzem geschehen ist, jemand bereits häufiger seine Familie verlassen hat oder sich selbstgerecht zeigt (7; Letzteres ist der Gegensatz zur geforderten Haltung eines Büßers in [3]). 4. U.U. kann der Sakramentenempfang „zurückhaltend (de manera reservada)“ geschehen (9), womit wohl das alte „remoto scandalo“ aufgegriffen ist. Allerdings sollen gleichzeitig die Gemeinden zu Verständnis und Annahme motiviert werden (9). 5. Entscheidend aber ist, dass es sich dabei um einen offenen Prozess und damit um die Begleitung eines Wachstums in der Gnade handelt (10).

Pastorale Anwendung des Schreibens

Wie ist all das konkret zu verstehen? Es ist durchaus denkbar – und zwar nicht erst seit AL -, dass einzelne Betroffene in ihrem Gewissen sich zum Sakramentenempfang ermächtigt fühlen können, und dies kann ggf. ein Priester im forum internum u.U. auch bestätigen. Das wäre etwa der Fall, wenn jemand einen Geschiedenen geheiratet hat und von der Nichtigkeit von dessen erster Ehe überzeugt ist, ohne sie vor einem Ehegericht nachweisen zu können. Das mag etwa der Fall sein, wenn dieser Partner evangelisch ist und sich nicht einem katholischen Ehegericht stellen will oder wenn wichtige Zeugen nicht zur Aussage bereit sind. Denkbar ist auch etwa, dass nur einer der Partner zu einem enthaltsamen Leben bereit ist, z.B. wenn er Glauben und Leben mit der Kirche erst jetzt tiefer entdeckt hat und für seine Situation Konsequenzen ziehen will, dem anderen Partner dafür jedoch das Verständnis fehlt. Am häufigsten wird man aber vom irrenden Gewissen Betroffener ausgehen, wenn sie das Problem des bestehenden Ehebandes gar nicht wirklich erkennen, vielleicht auch überhaupt eine nur rudimentäre Kenntnis des Glaubens und christlichen Lebens haben und sich auch nicht durch deinen Seelsorger in diesem Punkt aufklären lassen. Bei letzterem wird ein Priester von der dissimulatio Gebrauch machen, d.h. er wird stillschweigend die Sakramente spenden, um Schlimmeres (Brüskierung und endgültige Abkehr von Glauben und Kirche) zu vermeiden und auf einer ganz anfänglichen Ebene den besagten Prozess des Wachstums im Glauben anzustoßen. Doch was genau hier denkbar ist und was nicht, ist zunächst Aufgabe der Theologie. M.E. wird das entscheidende Kriterium dafür sein, dass am Ende einer seelsorglichen Begleitung die Möglichkeit des Empfangs der Sakramente für Betroffene steht, dass sie anerkennen, dass ihre Situation objektiv der göttlichen Ordnung der Ehe widerspricht und sie sich auf den Weg machen wollen, sie entsprechend zu ordnen. Liest man den Brief der Argentinier auf dem Boden der kirchlichen Lehre, so rechtfertigen dagegen nicht einfache Güterabwägungen oder die Berufung auf eine Pflichtenkollision das Leben in zweiter Verbindung moro uxorio, etwa die gemeinsame Sorge für Kinder. Nach „Familiaris Consortio“ 84 kann dies zwar das Zusammenleben rechtfertigen, aber in diesem Fall bleibt die Bereitschaft entscheidend, auf der Ehe vorbehaltene Akte zu verzichten.

Was ist neu, was nicht?

Das heißt nun keineswegs, dass nach dem derzeitigen Stand der Dinge AL nicht auch neue Akzente in der Lehre gesetzt hat. Neu daran (jedoch für Kenner der traditionellen Lehre zur Verwaltung des Bußsakramentes doch auch keineswegs wirklich neu, jedoch dankbarerweise nun klar ausgesprochen) ist es, dass dieses „sich auf den Weg machen wollen“ durchaus weit gefasst sein darf und (ein wenig analog zur klassischen Lehre von der Begierdetaufe) sozusagen auch ein „votum implicitum“ umfassen kann, d.h. die generelle Bereitschaft, den Willen Gottes ohne Abstriche erfüllen zu wollen. Entsprechendes findet sich im Brief von Papst Johannes Paul II. an Kardinal Baum, den die argentinischen Bischöfe selbst als Quelle ihrer Überlegungen anführen. Danach muss der Vorsatz zur Besserung ernsthaft und großherzig sein, doch nicht immer auch schon wirklich in die Tat umgesetzt worden sein („proposito solido e generoso“, vgl. AAS 88 [1996] 749-756, hier 750).  „Es ist durchaus möglich, das bei aller Verpflichtung auf den Vorsatz, nicht wieder zu sündigen, doch die Erfahrung der Vergangenheit und das Bewusstsein der gegenwärtigen Schwäche die Furcht vor dem Rückfall auslösen. Doch dies verhindert nicht die Ehrlichkeit des Vorsatzes, wenn mit dieser Furcht der vom Gebet unterstützte Wille verbunden ist, das Mögliche zu tun, um die Schuld zu vermeiden“ (ebd. 752). Genau an dieser Stelle dürfte wohl auch die Kontinuität zur bisherigen Lehre zu suchen sein: fester Wille zur Ordnung der eigenen Situation, doch gleichzeitig Berücksichtigung der Schwäche des Einzelnen.

Die Veröffentlichung im Päpstlichen Amtsblatt

Welche Bedeutung hat es schließlich, dass diese Dokumente in den „Acta apostolicae sedis“ vom Oktober 2017 veröffentlicht wurden? Kommentatoren wie der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller wollen darin den Rubikon erkennen, nach dessen Überschreitung nun alles klar sei und Kritiker bedingungslos zu schweigen hätten: „Sie haben dann schlichtweg zu schweigen und dem Papst bedingungslos zu gehorchen und jedwede öffentliche Äußerungen zu unterlassen, die den Eindruck erwecken könnten, dass sie eine andere Sicht der Dinge haben.“ Die Gleichsetzung des religiösen Verstandes- und Willensgehorsams mit einem Schweigegebot verwechselt allerdings gleich doppelt etwas:

  • Es war die Position der Jansenisten, diesen Gehorsam mit einem „obsequium silentiosum (schweigende Folgsamkeit)“ zu identifizieren, was ja gewissermaßen wie die Faust in der Tasche ist. Diese Position wurde jedoch von der Kirche verworfen. Denn der kirchliche Gehorsam darf niemals nur als äußere Machtdemonstration und Beherrschung der Öffentlichkeit verstanden werden. Vielmehr muss sich jeder Gläubige darum bemühen, die vorgetragene Lehre auch innerlich anzunehmen. Doch bis auf wenige traditionalistische Kreise bestreitet ja niemand in der katholischen Kirche, dass es sich bei AL und den genannten Dokumenten um authentische Lehren handelt.
  • Andererseits sind Lehraussagen der Päpste immer auch Anfang und nicht Ende, wie man nach Karl Rahner erinnern darf. Gerade wenn man sie ernst nimmt und annimmt, stellt sie die Frage ihrer Interpretation und Einordnung in das Gesamt des Glaubens (u.a. in der „hierarchia veritatum“ und im „nexus mysteriorum“) mit größerer Dringlichkeit. Darum ist nicht Schweigen das Gebot, sondern offene Auseinandersetzung – natürlich auf der Grundlage des autoritativ Vorgelegten. Dies schließt ein, dass gerade auch Kardinäle in Sorge um das Glaubensgut die Klärung uneindeutiger Punkte dabei erbitten dürfen.

Doch schauen wir auch hier genauer in die Texte. Kardinal Parolín erläutert in einer begleitenden Note, dass es sich dabei um Texte des authentischen Lehramtes handelt. Grundsätzlich gilt dies für alle Äußerungen des Papstes, also auch für Predigten und Ansprachen (nur etwa die theologischen Werke von Benedikt XVI., die dieser ausdrücklich davon ausgenommen und als seine Privatmeinung gekennzeichnet hat, sind davon ausgeschlossen). Nun wird hier durch die Gutheißung des Papstes auch der Brief der argentinischen Bischöfe mit dieser päpstlichen Autorität versehen. D.h. bereits AL war zu der Lehrverkündigung gemäß c. 752 CIC zu rechnen, der ein religiöser Verstandes- und Willensgehorsam zukommt, und nun auch die Pastoralanweisung der Argentinier sowie der Apostolischer Brief von Papst Franziskus im Dank an die argentinischen Bischöfe. Authentische Lehre mit dem Anspruch auf „religiösen Gehorsam“ war der argentinische Brief freilich nach c. 753 übrigens zuvor auch schon, ebenso wie die vielen anderen bischöflichen Äußerungen nach AL, die sich freilich bisweilen in nicht wenigem von einzelnen hier vertretenen Punkten unterscheiden. Allein diese Tatsache zeigt schon, dass es nun natürlich nicht zu einem Ende der Diskussion um die rechte Auslegung von AL gekommen ist. In gut kirchlicher Gesinnung wird man allerdings das jüngst in den AAS Veröffentlichte als eine authentische Lehrquelle dabei zugrunde legen, dies allerdings auch wiederum nur, insofern es sich wie gesagt überhaupt um lehrmäßige Implikationen in einer jurisdiktionell-pastoralen Anordnung handelt. Weil dieser religiöse Gehorsam allerdings auch weiterhin etwa „Familiaris consortio“ gilt, ist der Diskussion die zugegebenermaßen nicht ganz leichte Aufgabe gestellt, alle lehrmäßigen Quellen miteinander in Einklang zu bringen. Kardinal Kasper im genannten Gastkommentar vertritt hier nur eine mögliche Meinung, die mit gewichtigen Argumenten auch bezweifelt werden kann: „Die Zulassung von wiederverheiratet Geschiedenen zu den Sakramenten in Einzelfällen ist in der Lehre der Tradition, besonders des Thomas von Aquin und des Trienter Konzils, begründet. Sie stellt keine Neuerung, sondern eine Erneuerung einer alten Tradition gegenüber neuscholastischen Verengungen dar. Wie ausgewiesene Fachleute der Lehre von Papst Johannes Paul II. aufgezeigt haben, besteht auch kein Widerspruch zur Lehre der beiden Vorgänger von Papst Franziskus.“ Einmal mehr und nur en passant erwähnt sei, dass es durchaus vorkommen kann, dass auch im authentischen Lehramt des Papstes die theologische Begründung ggf. nicht recht zu überzeugen vermag, etwa bei AL bzgl. der Gewissenlehre des Thomas von Aquin, der fehlenden Unterscheidung von forum internum und forum externum bei der Zulassung zur Eucharistie oder möglicherweise der Vermengung der Lehre von den mildernden Umständen mit der von der Güterabwägung.

Alles klar? Zum Stand der Auslegung von „Amoris laetitia“

Insgesamt hat dieser Vorgang jedoch durchaus mehr Klarheit in die Interpretation von AL gebracht, aber doch ganz andere, als eine rasche und oberflächliche Rezeption dies erkennen wollte.

  • Indem der Papst das argentinische Schreiben mit seiner päpstlichen Autorität bestätigt und in sein authentisches petrinisches Lehramt aufnimmt, setzt er einen klaren Akzent. Das „No hay otras interpretaciones“ darf man nämlich so verstehen, dass Papst Franziskus damit noch einmal klarstellen will, dass er keinesfalls an die bestehende Lehre rühren will – die Bischöfe betonen ebenso, dass ihre Weisung „keine Verwirrung bei der Lehre der Kirche über die unauflösliche Ehe auslösen darf“ (9) -, sondern Orientierungen für die seelsorgliche Begleitung und die Gewissensbildung Betroffener vorlegt. Indirekt bestätigt er damit ein wenig überraschend die Linie der Auslegung, die etwa Kardinal Gerhard Müller vertritt, dass AL lehrmäßig im Rahmen der traditionellen Lehre auszulegen ist.
  • Hat der Papst damit auch eine Antwort auf die „dubia“ der Kardinäle gegeben? Indirekt durchaus. Wenn nämlich AL als Pastoralschreiben zu verstehen ist, das nicht die Lehre ändert, kann die Antwort auf die Fragen der vier Kardinäle nur im Sinne der traditionellen Lehre ausfallen. Allerdings legt er damit den Theologen gewissermaßen eine Knacknuss vor: Wenn die Pastoral eine Kommunionspendung an wiederverheiratete Geschiedene im Einzelfall im Rahmen einer Begleitung und „Unterscheidung“ im forum internum kennt, ist es ihre Aufgabe zu zeigen, wie und unter welchen Bedingungen dies durchaus mit der traditionellen Lehre vereinbar ist. Das kann und muss der Papst nicht leisten, sondern es zeugt von Klugheit, den Theologen auch noch ein bisschen Arbeit zu überlassen. Man darf gespannt sein, was sie vorlegen werden – wenn sie denn überhaupt schon ihre neue Aufgabe begriffen haben!

Es liegt also noch so manche theologische Arbeit vor uns, deren Ausgang alles andere als eindeutig ist. Augenblicklich den Schlusspfiff für die Diskussion zu fordern, ist weder der Sache angemessen noch den Forderungen von Papst Franziskus selbst, der ja auf den beiden Familiensynoden gerade zur offenen Auseinandersetzung – ggf. auch gegen die Meinung des Papstes – aufgerufen hat. Nur so wird am Ende der „magnus consensus“ stehen, der für ein katholisches Verständnis von Glaubenslehre unverzichtbar ist. Es wäre mehr als bedauerlich, wenn das Bild entstünde, in der Kirche könnten die Mächtigeren sich in Glaubensfragen auf Kosten der Ohnmächtigen durchsetzen. Auf Papst Franziskus, den Papst der Marginalisierten, dürfte sich eine solche Haltung mit Gewissheit nicht berufen.

2 Gedanken zu “„Amoris laetitia“ – ist nun alles klar?

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