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Warum gebe ich dir Weisung und bin doch selbst nicht so, wie ich es mir von dir vorstelle? Mehr noch, hast du nicht eine stattliche Zahl von Menschen vor Augen, die auf halben Weg eingebrochen sind? Meine Antwort lautet knapp: Ich spreche nicht von mir, sondern von unserem Herrn und Heiland. Ich gebe auch keine Weisung mit Blick auf das, was ich selbst erreicht habe, sondern auf das, was ein angehender Diener Christi wollen und vollbringen muss. Auch die Sportler sind ja kräftiger als diejenigen, die sie mit Öl einreiben. Trotzdem gibt der Schwächere dabei Anweisungen, und der Stärkere tritt zum Kampf an. Schau nicht auf den Abfall des Judas, sondern auf das Christusbekenntnis des Paulus! Jakob war der Sohn eines steinreichen Vaters, und doch macht er sich allein und bloß mit einem Stab in der Hand auf nach Mesopotamien. Erschöpft sinkt der unterwegs zu Boden, er, der von seiner Mutter Rebekka äußerst verzärtelt worden war, und er gebraucht dabei einen Stein anstelle eines weichen Kissens. Da schaute er die Leiter, die von der Erde bis zum Himmel reichte. Auf ihr stiegen Engel auf und nieder. Von oben sah der Herr hinab und reichte den Ermüdeten die Hand, um sie in ihrer Anstrengung beim Aufstieg durch seinen Anblick zu bestärken. Deshalb heißt dieser Ort auch Betel, d.h. Haus Gottes. Darin steigen täglich Menschen auf und nieder. Denn auch Heilige fallen, wenn sie nachlässig werden, doch Sündern erreichen wieder ihre frühere Höhe, wenn sie ihre Fehler mit Tränen abwaschen. Das sage ich aus dem Grund, damit dich die Heruntersinkenden nicht verstören, sondern damit die Emporsteigenden dich bestärken. Man nimmt sich ja nie an Schlechten ein Beispiel. Auch im Allgemeinmenschlichen kommt ja die Einladung zu einem guten Leben stets vom besseren Teil der Menschen.

– Hieronymus, Brief an Julian 118,7 –

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