Geostationäre Satelliten sind eine feine Sache. Sie stehen fest am Himmel und schweben ständig auf dieser Position, ohne zur Erde zu fallen oder in den Weltraum geschleudert zu werden. Und das auch noch, ohne sich ständig mit Raketenantrieb an ihrem Ort etwa 36.000 Kilometer über der Erdoberfläche halten zu müssen. Dabei reicht schon etwas Unterstufen-Physik aus, um das Prinzip zu begreifen: Die Balance zwischen der Gravitation und der Fliehkraft, die an dieser Stelle mit einer Kreisbewegung von 3,075 Kilometer pro Sekunde genau ausgeglichen ist. Nicht schlecht, oder? Und dabei ausgesprochen nützlich (sofern man Fernsehprogramm, Navis, Spionage und Telekommunikation trotz allem immer noch unter die nützlichen Dinge rechnen darf).

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Ein Werbefilm

Doch schon lange vor der Erfindung dieser geostationären Position im Weltall gab es sie für das Reich des Geistes: Hoffnung und Gottvertrauen. Diese Haltung ist wie ein treuer Begleiter, der Himmel und Erde, das große Ziel und die irdischen Niederungen des Alltags, miteinander verbindet. Man könnte dafür einen Werbefilm drehen.

  • Erstes Bild: Da müht sich ein armer Erdenwurm ab, den Kopf bloß 1,50 bis 2 Meter über dem Boden, mit einem Ausblick nicht weiter als bis zur nächsten Wand, und sein ganzer Lebensweg nichts als „Ungewissheit und Wagnis“ (Peter Wust). Düstere Aussichten? Ja, das wären sie, wenn es nicht…
  • Schnitt zum nächsten Bild: …wenn es nicht Hoffnung und Gottvertrauen gäbe. Wie ein treuer Satellitenstern stehen sie hoch über unseren Wegen und verbinden Erde und Himmel, irdische Niederung mit göttlicher Weite. „Ich weiß, dass ich nichts weiß“, ja, aber jetzt gilt auf einmal auch: „Ich weiß, auf wen ich mein Vertrauen gesetzt habe“ (2 Tim 1,12). Gott lenkt mein Geschick, er kennt meine Wege, er beseitigt die Gefahr, manchmal noch bevor ich sie überhaupt zu Gesicht bekomme. „Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt, bei denen, die nach seinem ewigen Plan berufen sind“ (Röm 8,28).
  • Weicher Übergang zum Schlussbild: Auf Gott sein Vertrauen zu setzen verändert das Leben. Wer vertraut, wird ein anderer Mensch. Das ist so kostbar, dass selbst viele Menschen, die gar nicht mehr richtig an Gott glauben, doch noch eine Art Gottvertrauen aufbringen: „Alles wird gut.“ Christliche Hoffnung aber ist unendlich viel mehr: die fröhliche Zuversicht von Pilgern mit leichtem Gepäck, der Sonne entgegen.

Ich weiß, die Theologen würden jetzt ungeduldig unseren Werbefilm wegklicken. Von Amts wegen würden sie stattdessen eine komplexe Theologie der Hoffnung erwarten. Einschließlich Theodizee und fundamentaltheologischer Handeln Gottes vs. Freiheit des Menschen-Diskurse. Aber bei den Satelliten wünschen wir vor allem, dass der Fernseher das Programm störungsfrei überträgt, und dabei kann uns selbst die Unterstufen-Physik in der Regel eigentlich gut und gerne Sache der Fachleute bleiben. Ebenso kommt es auch hier vor allem aufs Praktische an: Hoffnung und Gottvertrauen, wie geht das? Deshalb halten wir uns hier nicht lange mit der Theorie auf. Es genügt wohl zu sagen: Hoffnung ist Großgeld und Gottvertrauen Kleingeld. Also zuerst die große Hoffnung auf das letzte Ziel bei Gott und dann das Vertrauen, dass Gott meinen Tagesplan bis ins Kleinste bestimmt. Schön gesagt, aber wie macht man das? Das ist die alles entscheidende praktische Frage. Nun, vor allem im Gebet: „Mein Gott, du meine Zuversicht. Alles liegt in deiner Hand. Du willst, dass ich in Christus das Heil finde. Darum wirst du mir auch alles geben, was auf dem Weg dazu wichtig ist. Du bist allmächtig, darum gibt es kein Hindernis, das du nicht überwinden kannst. Du bist barmherzig, darum schenkst du mir mehr, als ich verdiene. Gib mir nur stets die Kraft, deine Wege mitzugehen.“ Ohne Hoffnung gibt es kein wirkliches Gebet. Wahrhaftiges Gebet aber gibt es nur zusammen mit der Bereitschaft, Gottes Willen an sich geschehen zu lassen – auch und gerade, wenn seine Pläne dunkel sind und man sie nicht begreifen kann.

Balance ist alles

Wie beim geostationären Satelliten geschieht für Hoffnung und Gottvertrauen das Entscheidende weit über unseren Köpfen: Gott lebt, er wirkt und lenkt alles, was geschieht. Zugleich wirkt sich das ganz direkt und vor unseren Augen aus: Hoffnung ist nur Hoffnung, wenn sie vor meiner Haustür beginnt. Kurz, Balance ist alles.

  • Da ist erstens die Balance von Himmel und Erde. Ein bisschen zu viel, und die Hoffnung verliert sich in der ewigen Kälte des Weltraums, d.h. sie setzt sich nicht in Alltagszuversicht um. Ein bisschen zu wenig, und sie verglüht in der Erdatmosphäre (dabei übrigens ziemlich gleichgültig, wie hoch deren CO2-Anteil ist). Dann ist sie nicht mehr als ein Schmieröl für einen Alltag „wie geflutscht“. Das ist wohl vor allem die Einseitigkeit unserer Zeit.
  • Da ist zweitens die Balance von Gottes Wirken und menschlichem Mitwirken. Zu viel, das wäre dabei ein Gottvertrauen, das die Hände in den Schoß legt. Gott wird das Kind schon schaukeln, und deshalb brauche ich mich nicht darum zu kümmern, dass das Kind nicht in den Brunnen fällt. Zu wenig, das wäre eines, das von Gott bloß die unauffälligen Dienste eines Hausmeisters erwartet, also für den ungestörten Ablauf unseres Alltags zu sorgen.

Gehen wir nun das Zuviel und das Zuwenig bei diesen beiden Punkten im Einzelnen durch.

Balance von Himmel und Erde

Da ist zuerst die Balance von Himmel und Erde. Christliche Hoffnung setzt darauf, dass Gott am Ende sein Himmelreich errichten wird. Das ist das große „Ende gut, alles gut“. Wir hoffen um Christi willen, am Ende zu seinen Auserwählten zu gehören und beim himmlischen Hochzeitsmahl nicht vor verschlossenen Türen zu stehen. Das ist schon sehr viel. Aber ist das auch wirklich alles? Nein, es fehlt die Balance, und darum wäre bloße Jenseitshoffnung eigentlich Jenseitsvertröstung. Denn das große Ziel im Himmel hat immer auch eine ganze Menge mit den kleinen Sorgen des Alltags zu tun. Gott wird da immer Wege finden, selbst wenn ich nur Sackgassen sehe – vorausgesetzt nur, dass ich auch Gottes Wege gehe und ihn nicht auf meine eigenen Bahnen drängen will. Aber auch diese irdisch-alltägliche Seite der Hoffnung kann einseitig werden, Diesseitsvertröstung gewissermaßen. Das ist heute schon so weit verbreitet, dass man die Einseitigkeit oft gar nicht mehr erkennt. Dabei ist sie dann nicht viel mehr als eine Art Optimismus: „Es wird schon schiefgehen.“ Den mögen die Stunts bei den Dreharbeiten zu einem Action-Thriller brauchen, und ein bisschen frischer Mut schadet auch im ganz normalen Leben nicht. Aber eine solche Ermutigung kann auch zur frommen Augenwischerei werden. Konkret: Da erzählt mir ein Freund von einer gefährlichen Erkrankung. Die ungewissen Aussichten gehen mir selbst an die Substanz. Ich will ihm etwas Gutes sagen, und weil ich gläubig bin, formuliere ich das so: „Ich weiß ganz sicher, Gott wird dich heilen. Er liebt dich ja und lässt dich nicht im Stich.“ Gute Absicht, aber fatal umgesetzt! Denn Hoffnung sagt nicht, es wird sich alles irdisch gesehen zum Besten entwickeln, sondern Gott wird auch das Schwere, ja gerade das Dunkel des Kreuzes nutzen, um unseren Blick auf das ewige Ziel auszurichten und uns dafür bereitzumachen. Alles andere wäre eine Hoffnung ohne Himmel. Die steht dann nicht mehr wie der treue Satellit als Lichtpunkt über der irdischen Nacht, sondern stürzt auf die Erde und wird von der Erdenschwere verschlungen. Hoffnung dagegen leuchtet dort am hellsten, wo auf Erden alles am dunkelsten wird. Deshalb können gerade Skeptiker, Skrupulanten und Schwermütige großartige Menschen der Hoffnung sein, auch wenn ihnen die möglichen Gefahren und Worst Case-Szenarien allezeit vor Augen stehen. Warum? Weil Hoffnung sagt: Egal wie schlimm es noch kommt, wie finster die Schlucht, „ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht“ (Ps 23,4). Die Welt kann mir richtig böse erscheinen, mein eigenes Leben als eine einzige Kette von Unglücken und Fehlern und die Anderen als eine Schar gleichgültiger Egoisten – ich weiß, Gott ist bei mir, und das wiegt alles auf. Nicht dass ich in diesem Leben irgendwann den großen Lottogewinn machen werde, der alles verändert. Wohl aber hoffe ich, einmal zu Gott einzugehen, und im Vergleich dazu wird ein Sechser im Lotto nur ein müdes Heben der Augenbrauen auslösen. Kurz, Hoffnung ohne Himmel ist ein Hund ohne Herrchen (oder natürlich Frauchen): Orientierungslos irrt sie hin und her zwischen Erwartungen und Enttäuschungen. Nicht umsonst sagen dann Leute: „Nach dem, was ich erlebt habe, kann ich nicht mehr an Gott glauben.“ Nein, gerade wenn irdisch alles zusammenbricht, kann ich nicht mehr ohne Hoffnung auf Gott leben!

Inschrift in der Dreifaltigkeitskirche (München), die aufgrund eines Gelübdes zur Bewahrung de Stadt im Krieg errichtet wurde

Noch einmal anders gesagt: Letztziel der Hoffnung ist Gott selbst und mit ihm sein Reich, das Paradies. Unmittelbar darauf ausgerichtet sind geistliche Ziele, also etwa Wachstum in Glaube, Hoffnung und Liebe, beim Gebet, beim Kampf gegen die Sünde oder bei tätiger Nächstenliebe. Denn all das braucht es, um einmal das Ziel zu erreichen und in den Himmel zu kommen. Heißt das dann aber, dass ich nicht auf Gottes Beistand hoffen darf bei Prüfungen im Studium, beim Schutz vor Krankheit und einfach, wenn ich auf ein bisschen Glück im Leben hoffe? Oder auch hoffen, dass die Pizza funghi, mit der ich meine Besucher beeindrucken will, ein Gedicht wird? All das geringzuschätzen wäre schon ein bisschen verschroben und alles andere als christlich. Denn Leib und Seele gehören zusammen, und darum sind die handfesten Zeichen seiner Nähe auch für unser christliches Leben ganz wichtig. Als Christ werde ich aber auch weltliches Glück nutzen, um meinen Sinn auf Gott auszurichten, vor ihm in Demut meine Ängste und Nöte auszubreiten, ihm zu danken und vor ihm klar zu bekommen, was wirklich wichtig im Leben ist und was nicht. Wenn Gott uns zum Beispiel bei einem schweren Unfall mit einem blauen Auge davonkommen lässt, kommt der Dank wirklich aus tiefstem Herzen. Vielleicht gelobe ich ihm dann auch etwas, was mir geistlichen Fortschritt bringt, etwa ein tägliches Gebet zum Schutzengel oder eine Dankwallfahrt. Der springende Punkt: Irdische Gaben Gottes sind Hilfen, das himmlische Ziel zu erreichen. Da heißt Gottvertrauen: „Was Gott tut, das ist wohlgetan“, gleich ob er mir Glück und Gesundheit schenkt oder mich auf der „rauen Bahn“ führt.

Balance von Gottes starkem Arm und unseren schwachen Kräften

Hoffnung traut Gott alles Gute zu. Er kann Wunder wirken, und zwar echte Wunder und nicht nur Psycho-Aufhellungen. Das hat er über Jahrtausende unter Beweis gestellt, zuhöchst in der Auferstehung seines Sohnes. Damit hat er jede noch so große Macht des Bösen auf Erden gebrochen. Aber wie gesagt, Gottes Pläne für seine Auserwählten zielen auf die Ewigkeit, und darum setzt er sie auf Erden durchaus immer wieder harten Zeiten aus. Ja, die Erfahrung lehrt, dass gerade echte Christen ganz besonders vielen Anfechtungen und Prüfungen ausgesetzt sind. Denn dadurch wird ihre Gottesliebe gereinigt. Das ist die knochenharte Grundsubstanz der Hoffnung. Bekannt ist der Ausruf der hl. Teresa von Avila an Gott: „Wenn Du so mit Deinen Freunden umgehst, dann wundert es mich nicht, dass Du nur so wenige hast!“

Wieder geht es um die Balance. Unser Satellit kann so fest mit Gottes starkem Arm rechnen, dass er es gar nicht mehr für nötig hält, selbst etwas dazu beizutragen. „Gott macht alles, ich mache nichts“, das klingt fromm – ist es aber nicht. Denn wer sagt: „Ich vertraue auf Gott. Deshalb verzichte ich auf irdische Hilfsmittel“, ist vermessen und nicht hoffnungsvoll. „Fahre nicht schneller, als dein Schutzengel fliegen kann“ fasst diese Balance humorvoll zusammen. „Handle stets so, als ob alles von dir abhänge, und hoffe stets so, als ob alles von Gott abhinge“, drückt diese Haltung aus. Es ist darum nur scheinfromm, wenn jemand demonstrativ verkündet: Ich brauche keine menschlichen Sicherungen, ich vertraue auf Gott. Das ist keine Hoffnung, sondern Vermessenheit.

Andere, besonders gefährliche Variante. Da sagt einer: „Ich lebe zwar nicht so, wie die Kirche es sich vorstellt, aber ich vertraue auf Gott. Er wird mir das schon nicht krummnehmen.“ Oh, das heißt, dem Raketenantrieb beim Satelliten volle Zündung geben. Im Nu hat er seine Schwebeposition verlassen, stürzt in die Erdatmosphäre und verglüht. Am Ende bleibt wortwörtlich nichts mehr von ihm übrig. Warum? Weil dieser Jemand gerade nicht auf Gott vertraut, sondern ihn zum Knecht seiner eigenen Vorstellungen mache. Sünde ist Missachtung Gottes und seiner Ordnung und Weisung. Das wäre so wie Fremdgehen in einer Partnerschaft und dann noch Süßholzraspeln: „Wie ich dich kenne, hast du doch sicher nichts dagegen.“ Nein, auf Gott hoffen heißt hier darauf bauen: „Bei Gott ist kein Ding unmöglich“ (Lk 1,37). Es fällt mir vielleicht unendlich schwer, mich unter seine Hand zu beugen und seinen Willen anzunehmen. Aber ich vertraue darauf: Er wird mir die Kraft geben, so zu leben, wie er es von mir verlangt. Am Anfang wird das vielleicht viel Kraft kosten, und ich werde immer wieder versagen. Hoffnung hilft mir aber, nach jedem Fall wieder aufzustehen. Doch dann mache ich die wunderbare Erfahrung: „Wir schreiten dahin mit wachsender Kraft“ (vgl. Ps 84,7). Irgendwann fällt es mir gar nicht mehr so schwer. Denn es sind gute Gewohnheiten und feste Einstellungen gewachsen, und ich habe mir ein Milieu gesucht, in dem diese unterstützt und nicht belächelt werden.

Alles in allem also nicht die Hände in den Schoß legen, aber ebenso wenig rufen: „Platz da, lieber Gott, jetzt komme ich!“ Vielmehr als „Gottes Mitarbeiter“ (1Kor 3,9), und das mit einer kräftigen Prise Demut: „Wir sind unnütze Knechte; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan“ (Lk 17,10).

Hoffnung und Gottvertrauen sind ganz kostbare Gaben. Mit ihnen lebt es sich entschieden leichter, unbeschwerter und zuversichtlicher. Zugleich reißen diese Haltungen uns aus aller Diesseitsverliebtheit: Gott hat uns zu unendlich viel Größerem berufen als zu einem alles in allem netten, erlebnisreichen und schmerzarmen Leben. So sind Hoffnung und Gottvertrauen wie ein Anker in allen Stürmen des Lebens (vgl. Hebr 6,19), ein Halt in allen gefährlichen Strömungen, die uns vom rechten Weg abdriften lassen. Darum soll kein Tag vergehen, an dem wir dem Herrn nicht vertrauensvoll alles in die Hand legen, was uns heute erwartet. Nicht nur das, ein großartiges Zeichen der Verbundenheit und Freundschaft ist es auch, sich gegenseitig in der echten Hoffnung zu bestärken und sich vor Einseitigkeiten zu bewahren. Kurz: unerschütterlich Position halten wie ein geostationärer Satellit.

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