Take away-Points
- Hervorgegangen aus dem stadtrömischen Klerus, dann „cardinalis“ als in Rom „inkardinierte“ Auswärtige, nachweisbar im 8. Jh. für Bischöfe und Priester, sehr viel später auch für Diakone, später auch „cardinalis“ als Beziehung zu römischen Hauptkirchen, ab dem 11./12 Jh. festes Kardinalskollegium mit universalkirchlicher Bedeutung als „Senat der Kirche“;
- seit 1059 (In nomine Domini, Nikolaus II.) zunächst suburbikarische Kardinalbischöfe, später auch -priester und zuletzt -diakone als Papstwähler (dabei durchaus auch Wahl an Abmachungen in Form von „Kapitulationen“ gebunden), oberste Stufe der kirchlichen Hierarchie sowie engste Papstberater und -unterstützer (oft allerdings selbst eng in Familien-, Klientel- und Nationalinteressen verflochten);
- “peculiare collegium” (c. 349, früher in Anlehnung an das alte Rom noch bei Paul VI. [AAS 61 [1969] 436] auch „Senat der Kirche“ genannt) der wichtigsten und ranghöchsten Papstberater und -wähler als eigene Rechtsperson;
- bis ins 16. Jh. eher kleiner Kreis (20-40), dann seit 1586 Höchstgrenze bei 70, seit Johannes XXIII. zunehmend aufgrund der Internationalisierung anwachsend auf derzeit etwa 250;
- Kreierung in einem Konsistorium nach freier Wahl durch den Papst, wobei traditionell auf wichtige Bischofssitze sowie die Leitung der römischen Kongregationen Rücksicht genommen wurde (ggf. auch Ernennung in pectore ohne Bekanntgabe aus politischen Rücksichten);
- Hauptaufgaben: Verwaltung der Kirche in Sedisvakanz und Wahl des Papstes (seit Paul VI. nur bis 80 Jahre, davon zu unterscheiden Angebot des Verzichtes auf ein Kurienamt mit 75 Jahren), kollegiale Beratung des Papstes bei schwerwiegenden Fragen, Unterstützung des Papstes als einzelne, u.a. durch Kurienämter (traditionell Leitung einer Kongregation durch einen Kardinal) oder als Legaten des Papstes (c. 358); seit Ausbildung und Bürokratisierung der Kurie nach Trient allerdings gewisser Funktionsverlust als Kollegium;
- seit Cum gravissima (1962, bis dahin waren Kardinaldiakone i.d.R. Priester) in der Regel Bischöfe, um das Kardinalat bei aller Eigenständigkeit dem Bischofskollegium und der bischöflichen Amtsvollmacht anzunähern;
- drei allerdings gleichberechtigte Ränge entsprechend der ficito iuris der Kardinäle als Klerus des Bistums Rom: suburbikarische Kardinalbischöfe sowie -priester und -diakone mit römischen Titelkirche bzw. -diakonie;
- an sich Residenzpflicht in Rom außer bei Diözesanbischöfen, de facto zumindest Pflicht zur Versammlung in Rom zu den 1. öffentlichen (z.B. Kardinalskreierung oder Heiligsprechung, rechtlich gesehen nur eine Erweiterung von 2. um eine breitere Öffentlichkeit, c. 353 § 4), 2. ordentlichen (bei schweren Fragen oder feierlichen Akten zumindest mit Anwesenheit der römischen Kardinäle) und 3 außerordentlichen (bei besonderen Dringlichkeiten der Kirche mit allen Kardinälen) Konsistorien;
- Primus inter pares einer der Kardinalbischöfe nach Wahl durch diese, vertreten durch Subdekan; Protodiakon verkündet nach erfolgter Papstwahl das „Habemus Papam“ von der Benediktionsloggia.
Alte Kirche
1059
Nikolaus II.: suburbikar. Bischöfe als Papstwähler, später erweitert
1059
Mittelalter
"peculiare collegium", "Senat der Kirche"
1568
Höchstgrenze 70 Kardinäle (zuvor oft nur 20-24)
1568
1958
Seit Johannes XIII. Erweiterung auf bis zu 120, inzwischen ca. 250
Quellen
CIC c. 349-359; 883 20; 967 § 1; 1242; 1405 § 1 20; 158 § 2.
Johannes XXIIII., Motu proprio Cum gravissima (15.4.1962 = AAS 54 [1962] 256-258).
Paul VI., Motu proprio Ad purpuratorum Patrum (11.2.1965 = AAS 57[1965] 295f.).
Paul VI., Motu proprio Sacro Cardinalium Consilio (26.2.1965 = AAS 57 [1965] 296f.).
Paul VI., Motu proprio Ingravescentem aetatem (21.11.1970 = AAS 62 [1970] 810-813).
Papst Johannes Paul II. , Apostolische Konstitution Universi Dominici Gregis (22.2.1996 = AAS 88[1996] 305-343).
Secretaria Status, Elenchus privilegiorum et facultatum S.R.E. Cardinalium in re liturgica et canonica, in: Communicationes 31 (1999) 11-13.
Statistik
* https://press.vatican.va/content/salastampa/en/documentation/cardinali—statistiche.html
Historische Darstellungen
Alberigo, Giuseppe 1926-2007, Cardinalato e collegialità : studi sull’ ecclesiologia tra l’XI e il XIV secolo, Firenze 1969.
Der bekannte Konzilsgeschichtler aus Bologna hat in der Nachkonzilszeit eine Reihe von Einzelstudien zum Kardinalat zusammengetragen, die zusammengenommen durchaus als ein historisches Handbuch zu dieser Einrichtung angesehen werden können. Dabei beschränkt er sich allerdings 1. auf die Anfänge seit dem 11. Jahrhundert, 2. die Festigung von Identität und Funktion des Kardinalates im 12. und 13. Jahrhundert, 3. die ersten systematischen theologischen und kanonistischen Traktate und 4. die Diskussionen im Großen Abendländischen Schisma. All das setzt bereits Grundkenntnisse voraus, zudem das Interesse an historischen Einzelfragen. Es wird aber belohnt dadurch, dass der Leser dadurch eingeführt wird in die vielen Schichten und die teilweise kontrastierenden Lehren über diese ehrwürdige Einrichtung und ihre Aufgaben.
Jankowiak, François / Pettinaroli, Laura (Hg.), Les cardinaux entre Cour et Curie: une élite romaine (1775-2015), Rome 2017.
Ein rundum empfehlenswerter Sammelband von 25 Artikeln, der zudem auch noch im Open Access vorbildlich ediert zugänglich ist (darin u.a. am Ende auch Zusammenfassungen der einzelnen Beiträge). Diese sind zwar recht speziellen Einzelthemen gewidmet, ergeben aber durch die dadurch mögliche Detailschärfe ein sonst kaum erreichtes vielfältiges Bild des Heiligen Kollegiums in den letzten 250 Jahren. So erfährt man Hintergründe zu seiner Ausweitung auf überseeische Gebiete, zum Einfluss auf die amerikanische Politik oder die Kurienkardinäle im Kulturkampf Bismarcks, Kardinalprotektoren der Orden, die Rolle des Kollegiums in der Vakanz des Heiligen Stuhles u.v.a.
Lierde, Petrus Canisius Johannes van / Giraud, André, Das Kardinalskollegium, Aschaffenburg 1965.
Dieses 127-seitige, ursprünglich französisch veröffentlichte Büchlein des Generalvikars von Rom zusammen mit einem Ordensmann gibt eine willkommene Einführung in alles Wissenswerte zum Kardinalskollegium – mit dem Manko, dass es schon 60 Jahre alt ist und darum alle neueren theologischen, rechtlichen und organisatorischen Entwicklungen unberücksichtigt lässt und zudem alle Punkte nicht wissenschaftlich vertieft. Dafür wird leicht verständlich und auf das Wesentliche konzentriert das Wissenswerte 1. zum Kardinalat in der Geschichte, 2. zu seiner Verleihung und Bedeutung heute und 3. zu seinen verschiedenen Aufgaben (dieses Kapitel ist am ehesten schon ein wenig „verstaubt“).
Melloni, Alberto, Senatus communionis, in: Concilium 49/5 (2013) 538–556.
Melloni, Schüler und Nachfolger Alberigos in Bologna, versucht hier einen engagierten, auch etwas enragierten Rundumschlag zu einer umfassenden Kurien- und davon abgeleitet Kardinalatsreform. Sie ist geprägt von den Hoffnungen des Reformflügels unmittelbar nach der Wahl des Bergoglio-Papstes, die er jedoch in konkrete organisatorische und vor allem ekklesiologisch begründete Strukturreformen gießen will. Dabei greift er auf Ergebnisse einer in Bologna organisierten Studiengruppe zurück. Eigenartigerweise bleibt er dabei mehrfach recht unbestimmt darin, wie diese praktisch umgesetzt werden sollen. Größter Posten auf der Wunschliste ist ein eigentlicher Kirchensenat aus Kardinälen, Bischöfen und Laien, der auf vier Jahre hin gewählt und fest in Rom wohnhaft sein soll und der zu wöchentlichen Sitzungen mit dem Heiligen Vater zusammenkommt.
Mühr, Alfred, Herrscher in Purpur: die Geschichte der Kardinäle, München 1977 (= Heyne-Geschichte 8).
Forget, J., Art. „Cardinaux“, in: DThC 2/2 (Paris 1923) 1777-1724.
Ähnlich wie der analoge Eintrag zu „Conclave“, zeichnet sich dieser Artikel durch einen guten geschichtlichen Überblick nach dem damaligen Stand aus, der hier allerdings nur von einer knappen Bibliographie gefolgt ist.
Del Re, Niccolò (Hg.), Vatikanlexikon. Deutsche Bearbeitung: Elmar Bordfeld, Augsburg 1998 (orig. italienisch: Mondo Vaticano).
Ein unverzichtbares Nachschlagewerk für alle Aspekte der Welt des Vatikans, von den Päpsten (jeweils mit Kurzbiographie und einführender Literatur) über Einrichtungen der Kurie, Ämter, Orte und Strukturen bis zur Kunst. Alles ist faktenorientiert und konzentriert geschrieben, dabei aber stets allgemeinverständlich und immens praktisch. Auch Vatikankenner werden darin viele Neuigkeiten oder auch Hintergründe zu Bekanntem finden. Ein Buch ebenso zum gezielten Nachschlagen wie zum Schmökern.
Walsh, Michael J., The cardinals: thirteen centuries of the men behind the papal throne, Grand Rapids, Mich. u.a. 2011.
Concilium: Internationale Zeitschrift für Theologie 49 (2013), Heft 5 (Zur Reform der römischen Kurie).
Dokumentation, Statistik und rechtlich-institutionelle Werke
Agostini, Cesare de, Eminenti & eminentissimi: tutto quello che si dovrebbe sapere sui cardinali del ‘900, Casale Monferrato 2000.
Ammer, Josef, Statistisches zum derzeitigen Kardinalskollegium, in: Klerusblatt 99/6 (2019) 137–138.
Benz, Hartmut, Sanctae Romanae Ecclesiae Cardinales: statistisches und biographisches Material zu den zwischen 1901 und 2001 kreierten Kardinälen, in: Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 96/1/2 (2001) 131–156.
Bräuer, Martin, Handbuch der Kardinäle: 1846-2012, Berlin – Boston 2014.
Bräuers 758-seitiges Werk ist von unvergleichlichem Wert, trägt er doch mehr als 900 Kurzbiographien der Kardinäle mit Werdegang und Tätigkeiten (jeweils immerhin etwa eine halbe bis eine Seite) von 1846 bis 2012 zusammen. Bräuer ist Catholica-Referent am „Konfessionskundlichen Institut des Evangelischen Bundes“ (Bensheim). Den Biographien ist ein kurzer, aber wohlinformierter Abriss über Geschichte und Entwicklung des Heiligen Kollegiums vorausgeschickt. Das Personenverzeichnis erleichtert den Zugriff.
Graulich, Markus, Kardinalat. Altehrwürdig und funktionsfähig, in: Riedel-Spangenberger, Ilona 1948-2007 (edt), Leitungsstrukturen der katholischen Kirche: kirchenrechtliche Grundlagen und Reformbedarf, Freiburg im Breisgau Basel Wien 2002, 76–100.
Graulichs 22-seitiger Überblick führt nach einem knappen historischen Abriss knapp und kundig und mit guter Literaturkenntnis in alle relevanten rechtlichen Fragen rund um die Auswahl (etwa 3.000 Kardinäle im Lauf der Geschichte; Gewohnheit, Bischöfe bedeutender Diözesen zu ernennen; die früheren „Kronkardinäle“; allmähliche Vergrößerung der Höchstzahl und Internationalisierung), Kreierung (u.a. neuerdings in der Regel Verbindung mit dem Bischofsamt), Struktur in den drei Stufen von Bischöfen, Priestern und Diakonen (fictio iuris eines stadtrömischen Klerus; Dekan als primus inter pares), Rechtsstellung und Privilegien (u.a. Legatentätigkeit und Rechtspersönlichkeit des Kollegiums), Tätigkeit (u.a. Konsistorium, Titelkirchen, Mitwirkung in Kongregationen und als „Senat“ der Kirche; zuhöchst Papstwahl) und kollegiale und individuelle Aufgaben des Heiligen Kollegiums sede plena und sede vacante ein.
Graulich, Markus, Die Kardinäle, in: Haering, Stephan / Rees, Wilhelm / Schmitz, Heribert (Hg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, Regensburg 2015, 486–493.
Lentz, Harris M., Popes and cardinals of the 20th century: a biographical dictionary, Jefferson, N.C. London 2002.
Lierde, Petrus Canisius Johannes van 1907-, Das Kardinalskollegium André 1894 Giraud, Aschaffenburg 1965.
Reese, Thomas J., Vom Hofstaat des 17. Jahrhunderts zur modernen Serviceeinrichtung: die Reform der Römischen Kurie, in: Concilium 49/5 (2013) 590–599.
Rossi, Agnelo, Il Collegio Cardinalizio, Città del Vaticano 1990.
Rossi wurde 1987 zum Dekan des Heiligen Kollegiums gewählt, und in dieser Eigenschaft verfasste er dieses praktische Kompendium in einfacher Sprache (Italienisch ist nicht seine Muttersprache!) zu wichtigen Fakten. es ist zwar nicht wissenschaftlich, aber doch wohlbelesen und aus der Innenperspektive geschrieben. 1. Das Kardinalskollegium im Überblick. 2. Die Papstwahl in der Geschichte. 3. Beteiligung an der Kurie. 4. Kirchenstaat. 5. Suburbikarische Bistümer, Titelkirchen und Kardinalprotektoren der Orden. 6. Reform des Kollegiums in Geschichte und Gegenwart. 7. Einzelthemen (wohl ursprünglich eigenständige Artikel).
Einige Diagramme zur aktuellen Zusammensetzung des Kardinalskollegiums

Lebensalter (bis 80 Jahre Recht der Papstwahl)

Schwerpunkt der Papstwähler bei Kardinälen, die durch Papst Franziskus kreiert wurden

Verschiebung: Kardinalskollegium insgesamt durch die drei letzten Pääpste ernannt, die Wähler (bis 80 Jahre) hauptsächlich durch Papst Franziskus

Differenz aller Kardinäle zu den Papstwählern

Dauer der Zugehörigkeit zum Heiligen Kollegium (Schwerpunkt auf den letzten Jahren)
Share this:
- Click to share on Twitter (Opens in new window)
- Click to share on Facebook (Opens in new window)
- Click to print (Opens in new window)
- Click to share on LinkedIn (Opens in new window)
- Click to share on Pocket (Opens in new window)
- Click to share on Telegram (Opens in new window)
- Click to share on Pinterest (Opens in new window)
- Click to share on WhatsApp (Opens in new window)
- Click to email a link to a friend (Opens in new window)