Angeschaut haben sich wirklich viele das Osterrätsel 2023, aber richtige Einsendungen gab es dieses Mal eher wenige. Ist das Thema schon so unzeitgemäß? Beurteilen Sie es selbst! Die richtige Antwort war: die Enzyklika „Veritatis splendor“ (6. August 1993) von Johannes Paul II. als Titel des gesuchten Textes und „in sich schlechte Handlungen“, „das in sich Schlechte“ oder auch lateinisch „intrinsece malum“ als Bezeichnung für Handlungen, die auf jeden Fall und unter allen Umständen zu meiden sind.

Worum geht es da? „Veritatis splendor“ Nrr. 79-83 bekräftigt als unverzichtbaren Teil der katholischen Morallehre das, was schon der hl. Paulus treffend ausgedrückt hat: „Man darf nicht Böses tun, damit Gutes entsteht“ (vgl. Röm 3,8 – das war auch schon ein Tipp im Rätsel). Bestimmte Handlungen sind niemals und unter keinen Umständen im Blick auf ein größeres Gut erlaubt. Wie wichtig das ist, hat nicht zuletzt der Skandal des sexuellen Missbrauchs offengelegt. Kein Geringerer als Papst Benedikt XVI. hat den Zusammenhang dazwischen und der Aufweichung des Prinzips von den in sich schlechten Handlungen aufgedeckt. Er war denn auch der „bedeutende Denker unserer Zeit“ unseres Rätsels. Sein „hellsichtiger, geradezu prophetischer Beitrag zu den Ursachen der Missbrauchskrise“ wurde erstmals im „Klerusblatt“ (2019, H. 4, 75-81) veröffentlicht. Er ist jetzt auch in die posthum erschienene großartige Sammlung verschiedener theologischer Texte des Papa emeritus eingegangen (Benedetto XVI., Che cos’è il cristianesimo. Quasi un testamento spirituale. A cura di Elio Guerriero e Georg Gänswein, Mailand 2023, 143-160). Darin beschreibt Benedikt XVI. auch die dramatischen Umstände, die zur Veröffentlichung der Enzyklika „Veritatis splendor“ geführt haben. Eine breite Welle der Moraltheologie vor allem in Deutschland und den USA vertrat die Ansicht, erst die Absicht mache etwas gut oder böse. So könne fast alles gut sein, wenn es zum Teil eines guten größeren Ganzen werde. Fachlich bezeichnet handelt es sich dabei um „teleologische und proportionalistische Theorien“. Sie wollten das Naturrecht in der katholischen Moraltheologie verabschieden. Bis dahin hatte diese die Natur als Schöpfung Gottes mit einer bestimmten vorgegebenen Ordnung verstanden. Diese Ordnung lässt bestimmte Akte als gut und andere als schlecht verstehen. Dabei gibt es aber den Unterschied, dass Handlungen, die an sich gut sind, durch bestimmte Umstände oder auch durch schlechte Absichten doch sittlich schlecht werden können. Also z.B. großzügig Arme unterstützen und sein ganzes Vermögen einem Hilfswerk zu vererben ist an sich verdienstvoll. Aber der Umstand, dass jemand dadurch die eigene Frau und seine Kinder selbst wieder in die Armut stürzt, würde die Tat zu einer schlechten machen. Dasselbe gilt, wenn man es in der Absicht tut, um von allen als Musterchrist gelobt zu werden. Wieder fachlich gesprochen, sind das die drei „Quellen der Sittlichkeit“ einer Handlung: 1. der Akt, 2. die Umstände und 3. die Absicht bzw. das Ziel. Nur wenn alle drei stimmen, ist eine Handlung gut, wenn dagegen nur eine einzige dieser drei Quellen schlecht ist, dann ist die Handlung sittlich schlecht. Zurück zum Naturrecht: Dieses sagt uns, dass bestimmt Handlungen in sich schlecht sind. Damit können sie niemals durch Umstände oder Absichten gerechtfertigt werden. Das gilt etwa für die Folter, die selbst bei einem Terroristen nicht angewendet werden darf, um rechtzeitig Anschlagspläne seiner Terrororganisation aufzudecken. Aber es gilt auch viel alltäglicher, etwa beim eisernen Gesetz katholischer Sexualmoral: kein Sex außerhalb der unauflöslichen Ehe von Mann und Frau.

daß es Objekte menschlicher Handlungen gibt, die sich ‚nicht auf Gott hinordnen‘ lassen, weil sie in radikalem Widerspruch zum Gut der nach seinem Bild geschaffenen Person stehen“

Tja, und mit dem letzten Beispiel sind wir auch bei dem, was viele Moraltheologen zum Umsturz dieser Lehre von den in sich schlechten Handlungen antrieb. Denn das tatsächliche sexuelle Verhalten vieler Menschen geht inzwischen vielfach von ganz anderen Maßstäben aus. Da wird dann etwa gesagt: Wenn es sich nur um eine personale, auf Treue und Hilfsbereitschaft angelegte Beziehung handelt, hat Sex seinen legitimen Platz, egal ob die beiden dasselbe Geschlecht haben oder ein verschiedenes, und unabhängig davon, ob die beiden richtig verheiratet sind oder ob ihre Sexualität offen für Nachkommenschaft ist. Inzwischen sind viele Moraltheologen sogar noch weit über den „Proportionalismus“ von damals hinausgegangen. Vereinfacht gesagt, ist für sie jedes Verhalten in Ordnung, das für die Betroffenen subjektiv in Ordnung ist und ihrer Selbstbestimmung nicht zuwiderläuft. Auch die einschlägigen Texte des „Synodalen Weges“ gehen ganz selbstverständlich von dieser Auffassung aus.

Was ist daran aus katholischer Sicht falsch? Sie verkennt letztlich, dass der Mensch Geschöpf Gottes ist, sein Ebenbild: „Nun bezeugt die Vernunft, daß es Objekte menschlicher Handlungen gibt, die sich ‚nicht auf Gott hinordnen‘ lassen, weil sie in radikalem Widerspruch zum Gut der nach seinem Bild geschaffenen Person stehen“ („Veritatis splendor“ 80). Das heißt, entscheidend für einen Menschen ist, dass er all sein Tun daran ausrichtet, wie Gott ihn geschaffen hat. Das gilt nicht nur für den gesamten Lebensentwurf, sondern eben auch für jede einzelne Handlung. Also z.B. auch kein Sex vor der Ehe, wenn man mit dem Partner zusammenzieht, den man wahrscheinlich einmal heiraten wird. Warum?

  • Am einfachsten versteht man es praktisch: Gerade auf hochgradig emotionalen Gebieten wie der Partnerschaft braucht man klare rote Linien: „Das darf ich nicht!“ Da darf es keine Diskussion geben, denn sonst lässt man sich doch hinreißen. Zum Beispiel Euthanasie. Natürlich gibt es bei Schwerkranken Momente, in denen alles nur noch schwarz erscheint und sie sich nichts sehnlicher als den Tod wünschen. Umso wichtiger ist es, dann gar nicht erst in Versuchung geführt zu werden, Hand an sich zu legen. Nicht selten sieht es dann auch wieder anders aus, etwa wenn Schmerzen gestillt werden können oder gute Menschen einem beistehen.
  • Theologisch geht es hier um die Würde der Person. Modernes Leben ist rundum von Zwecken bestimmt. Lohnarbeit etwa lohnt sich, wenn das Gehalt stimmt und es ein gutes Leben ermöglicht. Das ist so lange legitim, wie man um des Geldes willen nicht Dinge tun muss, die einen erniedrigen oder von sich selbst entfremden. Prostitution ist ein sprechendes Beispiel dafür, und darum kann sie niemals als normale Arbeit von „sex-worker“ aufgefasst werden. Aber auch Raubbau an der eigenen Gesundheit kann nicht von einem noch so guten Gehalt legitimiert werden. Dasselbe gilt aber auch von allem, was einen in Widerspruch bringt zu dem, wie Gott uns geschaffen hat. Dazu gehört z.B. die Zweigeschlechtlichkeit, und sich im Widerspruch dazu zu verhalten ist nicht wertneutral. Die Würde der Person verlangt, dass sie auch bei jeder einzelnen Tat in Übereinstimmung mit dem Plan des Schöpfers handelt.

Lassen wir es mit diesen kurzen Andeutungen bewenden. Vielleicht reizen sie ja dazu an, „Veritatis splendor“ zu studieren, zumindest die Nummern 79 bis 84 zu den „in sich schlechten Handlungen“. Ohne Scheuklappen gelesen, kann man in diesen Worten nur den großen Kämpfer für den Glanz der christlichen Schöpfungswahrheit bewundern, für die Würde des Menschen und dafür, dass er nicht den Sirenengesängen einer Welt erliegt, die ihm scheinbar alles einfacher und passender macht. Das ist christliche Höhenluft anstelle der ungelüfteten Räume, in denen offensichtlich viele zeitgenössischen Theologentexte entstanden sind.

2 Gedanken zu “Osterrätsel 2023 – die Auflösung: „in sich schlechte Handlungen“

  1. Habe mich riesig gefreut endlich mal ein Rätsel zu lesen, dass ich (man) nicht so „aus der Hüfte heraus“ ohne viel nachzudenken lösen konnte. Tatsächlich habe ich den Zusammenhang zu „Veritatis splendor“ auch nicht herstellen können, obwohl ich diese in der Recherche zum Rätsel tatsächlich auch in Betracht nahm. Auch das Zitat aus dem Römerbrief, welches ich aus dem Bauch heraus für zutreffend erachtete, brachte mich nicht weiter. Tatsächlich wollte ich auch gar nicht teilnehmen, aber die Lösung des Rätsels wollte ich nichts desto trotz (allein, i.S.v. ohne Auflösung) herausfinden. Dass ich das nicht geschafft habe, brachte mir die Erkenntnis, das Moralphilosophie und hierbei nicht nur theologische ein recht interessantes Beschäftigungsfeld darstellt. Denn damit beschäftigte ich mich im Wesentlichen bei der Recherche nach der Auflösung des Rätsels. Dabei habe ich dann auch noch von Seiten der Universität Tübingen Vorlesungsvideos ausfindig gemacht, die mir zumindest helfen einen ersten Einstieg in dieses Gebiet zu erhalten. Also trotzdem ich nicht zu denjenigen gehörte, die die Lösung finden konnten, brachte mir das Rätsel doch ein „Mehr an Interessenvielfalt“, die es jetzt zu bewältigen gilt.
    Hinsichtlich der Ausführungen in der Lösung des Rätsels zu der Zweigeschlechtlichkeit möchte ich mich nicht nur zurückhalten, sondern dieser ausdrücklich widersprechen. Meine Sicht der Umstände deckt sich wohl eher mit den in der Lösung auch aufgeführten Ansichten des „Synodalen Weges“ (siehe auch das Ergebnis der erst kürzlich getroffenen Abstimmung der Bischöfe).
    Trotzdem, wenn ich auch nicht alle Ansichten mit Ihnen teilen möchte, möchte ich Ihnen meine Anerkennung für Ihre doch sehr interessant und vor allem mit viel Intellektualität dargebotenen Seite zum Ausdruck bringen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Georg-Thomas

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