Predigen – Grundlagen und praktische Gestaltung, Regensburg: Pustet 2017

Exklusiv: Das Interview zum Buch:

*** Leseprobe aus den ersten Seiten. ***

*** Interview zum Buch „Predigen – Grundlagen und praktische Gestaltung“ in einer Credo-Sendung von Radio Horeb am 31.10.2017  ***


Wer die christliche Botschaft zeitgemäß verkünden soll, wird sich immer wieder fragen: Wie predige ich so, dass das Wort beim Hörer als Gothttps://medias.librinet.de/dl/ab723ac8-dfe0-4f57-9010-64680fc5f1e5/1/daz4edtes Wort ankommt und ihn zum Glauben ruft? Nach einer theoretischen Grundlegung wende ich mich der Predigtpraxis zu. Dabei greife ich auf den reichen Erfahrungsschatz der klassischen Rhetorik zurück und nehme auch die Debatten in der evangelischen Homiletik auf. Die Vielfalt der Predigtsituationen, Persönlichkeiten und Predigtformen wird nicht auf eine Einheitspredigt zurechtgestutzt. Die Reflexion hilft, jeweils einen eigenen, treffenden und ansprechenden Stil zu finden. Schritt für Schritt wird die Predigtarbeit entwickelt. Zitate in Textkästen, Literaturhinweise, Denkanstöße sowie Übungen zur praktischen Umsetzung vertiefen die Ausführungen.


Was ich zum Buch gerne wissen möchte…

* Für wen ist „Predigen – Grundlagen und praktische Anleitung“ geschrieben?

Entstanden ist es aus meiner Hauptvorlesung „Homiletik“. Erste Adressaten sind damit Theologiestudenten. Das Buch soll mit dem wichtigen pastoralen Feld „Predigt“ in allen Aspekten bekannt machen und Gelerntes vertiefen – in der Prüfungsvorbereitung oder einfach nur so aus Interesse. Dabei mache ich keine „Theorie der Theorie der Theorie“, sondern praxisorientierte Theorie. Sie soll schlicht mithelfen, dass besser gepredigt wird.

Damit sind wir bei der zweite Zielgruppe: die Prediger und Predigerinnen. Gleich ob Anfänger oder alte Hasen, Anregungen können sie sicher alle daraus schöpfen. Vielleicht wird es manch einem ja zu einem Handbuch im besten Sinn: zum Begleiter in allen Phasen der Predigtvorbereitung.

Tja, und dann ist da noch die schweigende Mehrheit, die Predigthörer. Wie man Musik besser, aufmerksamer und mit mehr Genuss hört, wenn man auch ein wenig Theorie kennt, so auch beim Predigen.

* Eignet es sich auch als Geschenk?

Geschenke sollen Freude machen. Ich würde also niemandem einen Nachdruck von Einsteins Aufsatz zur Relativitätstheorie schenken oder das Bürgerliche Gesetzbuch (nun gut, fast niemandem!). „Predigen“ dagegen stellt sich unter den Anspruch jeder guten Rede: „delectare et prodesse – Spaß machen und Nutzen bringen“. Man soll gar nicht merken, wie die Seiten verfliegen.

* Kann man es auch querlesen oder gezielt einzelne Punkte herauspicken?

Klar, anders geht es oft nicht, vor allem für den Praktiker. Deshalb ist das Buch detailliert gegliedert. Die einzelnen Punkte eines Kapitels werden durch Zahlen und Fettdruck hervorgehoben. Vor allem ist der rote Faden leicht zu erkennen: zuerst die Theorie, dann die Praxis mit den fünf Schritten bis zur fertigen Predigt. Dadurch fällt das Picken leicht und wird nicht zum Stochern im Nebel.

* Ist es Zufall, dass das Buch Im Jahr des 500-jährigen Reformationsgedenkens erscheint?

Natürlich nicht. Die Predigt mit all ihrem Wohl und Wehe verbindet heute alle Konfessionen. Da kann jeder von jedem lernen. In den Gemeinden der Reformation wird von Anfang an größter Wert auf die Predigt gelegt, und im Herzen ihrer Theologie steht oft die Predigtlehre. Aus diesen reichen Erkenntnissen wollte ich schöpfen. Dabei merkte ich an manchen Stellen, dass ein Katholik es da auch leichter hat: Bei uns wird die Suche nach der guten Predigt nicht ganz so schnell in einen Grundsatzstreit verwickelt. Es gibt vielmehr die berechtigte Pragmatik: Was hilft, ist auch erlaubt.

* Warum nimmt die klassische Rhetorik einen so großen Platz ein?

Warum nicht? Das ist wie beim Computer. Natürlich kann ich mit ein paar Programmierkenntnissen auch selbst ein Textverarbeitungsprogramm erstellen. Aber wenn es bereits ein ausgezeichnetes, durch 2.500 Jahre erprobtes, wirklich klassisches Programm gibt, geschrieben von so ausgezeichneten Kennern wie Cicero und Augustinus? Und wenn es gleichzeitig so ausbaufähig ist, dass es problemlos auch aktuelle Erfordernisse der Kommunikationswissenschaften oder heutiger Hörgewohnheiten integrieren kann? Die evangelische Homiletik hat jahrzehntelang über die Verwendung der Rhetorik leidenschaftlich diskutiert. Da schlugen die Wogen hoch. Demgegenüber war ich froh, diesen Seegang vom sicheren Ufer aus zu betrachten und mich der genannten Pragmatik zuzuwenden: Es gibt nichts Brauchbareres für eine gute Predigt als gute rhetorische Kenntnisse.

* Warum der Pustet-Verlag?

Never change a winning team!  In diesem Regensburger Traditionsverlag habe ich jetzt schon mein viertes Handbuch veröffentlichen können:

Jedes Mal war ich „bezuckert“ von der sorgfältigen Betreuung und der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem ausgezeichneten, erfahrenen Lektor Dr. Rudolf Zwank. Bei ihm habe ich den Unterschied zwischen „Passt schon!“ und „Richtig gut!“ kennen- und schätzen gelernt.

 


Kleiner Durchblick durch die neun Kapitel des Buches

– Nicht nur zur Prüfungsvorbereitung geeignet –

 

„Predigen – Grundlagen und praktische Anleitung“ lautet der Titel. Das riecht nach Theorie („Grundlagen“) und Praxis („Anleitung“), und so ist es auch. Die ersten vier Kapitel entwerfen die Grundlagen einer rhetorischen Homiletik, Kapitel 5 bis 9 gehen die fünf Schritte der Predigtarbeit praktisch durch.

Theorie

  1. Predigt – im Namen Gottes und mit menschlichen Worten

Was ist das Besondere der Predigt? Nichts und doch alles! Nichts, denn sie ist menschliches Wort, das allen Gesetzen der Kommunikation unterworfen ist. Alles, denn sie ist Sprechen im Namen Gottes. Gotteswort im Menschenwort also. Dazu gehören Fragen wie die nach der Situation der Predigt zwischen Krise und Chance, nach Dialog und Monolog, nach biblischen Modellen, nach angemessenen Definitionen und nach der Homiletik als Predigtwissenschaft.

  1. Rhetorik als Bezugswissenschaft der Homiletik

Predigt ist Menschenwort. Die entsprechende Profandisziplin ist die Rhetorik, lange Zeit die Geisteswissenschaft schlechthin. Wie hat sie sich entwickelt, mit welchen Umformungen ist sie christlich geworden und wie lässt sich eine rhetorische Homiletik theologisch verantworten?

  1. Formen der Predigt und liturgierechtliche Regelung

Jetzt wird‘s schon ein bisschen praktischer. Die Predigt ist in Wirklichkeit die Predigten, also eine Vielheit von Formen: Legt sie die Schrift aus, behandelt sie ein Thema oder deutet sie menschliches Leben? Oder ist sie von besonderen Situationen geprägt, z.B. als Kasualpredigt oder als politische Predigt? Schließlich: Was sagen die rechtlichen Vorgaben der Kirche? Wann darf und soll wer und wie predigen?

  1. Text – Hörer – Prediger: das homiletische Dreieck

Jede Predigt entwickelt sich in einem bestimmten setting. Seine drei Pole sind Text, Hörer und Prediger. Was sagen die Kommunikationswissenschaften dazu, angefangen von Karl Bühlers Organon-Modell?

Praxis

  1. INTELLECTIO und INVENTIO: Kernfrage und inhaltliche Füllung

Nun geht es an die eigentliche Predigtarbeit. Sie fängt aber keineswegs damit an, die ersten Sätze aufzuschreiben. Vorher ist ein Doppeltes gefragt: Worum geht es, in einem Satz formuliert, meiner Predigt? Und welche Gedanken, Ideen, Worte, Bilder, Geschichten usw. können dieses Anliegen inhaltlich füllen?

  1. DISPOSITIO: Gliederung der Predigt

Bis dahin sind die vielen Ideen „Chaos pur“. Wie lassen sie sich strukturieren – auf der Makroebene der ganzen Predigt ebenso wie auf der Mikroebene einzelner Abschnitte? An dieser Stelle lernt man die klassische Gliederung einer Rede und die besondere Aufgabe z.B. des exordium (Einleitung) kennen, aber auch, warum es einen Unterschied macht, ob jemand die Zahl Zwei oder die Zahl Drei lieber hat.

  1. ELOCUTIO: Gedanken sprachlich ausformen

Hartgesottene Theologen meinen, mit den passenden Gedanken und einer entsprechenden Ordnung sei die Predigt doch fertig. Mitnichten! Sprache ist mehr als Vehikel für Gedanken. Sie will gestaltet sein. Dabei wird man viele ungeahnte Möglichkeiten entdecken, etwas treffender, frischer, genauer oder einprägsamer zu formulieren.

  1. MEMORIA: Gedanken verinnerlichen

Ach, ein heikler Punkt. Predigt ist keine Vorlesung, sondern eine Rede. Eine freie Rede! Also nicht am Blatt kleben, sondern mit der Gemeinde kommunizieren. Das geht. Wie das geht, dazu ist dieses Kapitel geschrieben.

  1. ACTIO: Das Predigtereignis

„Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.“ Dutzende von Faktoren beeinflussen die großen zehn Minuten, in denen jemand nun wirklich im Namen Gottes zu seinem Volk sprechen darf, angefangen von der frischen oder miefigen Luft im Kircheninneren bis hin zu putzig herumlaufenden Kindern, die alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Wer auf all das gerüstet ist, wird es auch souverän meistern können.


Hintergrund

Bei uns zuhause wurde gut, aber nicht selten angriffig gepredigt. Das reizte den jungen Mann zum Gegenangriff im Kopf: Wie würde ich hier predigen? Bei Aushilfen als Organist hörte ich viele andere Prediger. Da begegnete ich dem Phänomen: viele Worte, aber nichts zu sagen. Dabei ertappte ich mich nach wenigen Minuten dabei, in den Noten zu blättern oder die Registrierung zu überprüfen. Im römischen Germanikum schlug dann die Stunde der Wahrheit. Zweieinhalb Jahre ab der Diakonenweihe war man regelmäßig zur Predigt in der Kommunitätsmesse eingeteilt, und die Predigtkritik begann schon im Mienenspiel der Mitbrüder in den Bänken. Am grausamsten war es, wenn nachher jedes Gespräch über die Ansprache peinlichst umgangen wurde. Als mir dann 1999 in Erfurt Predigtvorlesung und -übungen übertragen wurden, war ich dankbar. Jetzt durfte ich aus wissenschaftlicher Auseinandersetzung und eigener Erfahrung dazu anleiten, dass die enorme Chance einer Predigt nicht landauf, landab vertan wird. So ist es bis heute geblieben. Bei allem Respekt vor Grundsatzfragen war mir bald klar: Die Wie-Frage entscheidet. Darum heißt das Buch auch „Predigen“ und nicht „Predigt“. Ein Tätigkeitswort also. Was kann ich tun, damit es gelingt? Natürlich fließen da biblische, historische, sprachwissenschaftliche und vor allem rhetorische Grundfragen hinein, aber sie dürfen sich nicht verselbständigen. Und auch dies: „Predigen“ gibt es nur in der ersten Person Singular: „Ich predige“ bzw. „Ich höre eine Predigt an“. Darum vertritt das Buch keinen alleinseligmachenden Ansatz, sondern es schafft Raum für verschiedene Persönlichkeiten und Situationen.

2 Gedanken zu “Predigen – Grundlagen und praktische Gestaltung

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert