Sommerzeit, Lesezeit – gleich ob im Strandkorb, bei der Jause auf einer Almhütte oder im Düsenjet. Darum handelt auch das Sommerrätsel 2018 von Literatur, ebenso wie schon das von 2017. Dieses Mal ist das gesuchte Werk allerdings nicht ganz so dickbäuchig wie vor einem Jahr, sondern eine schlanke Erzählung oder genauer eine Novelle. Bei ihr suchen wir die Vornamen der beiden Hauptpersonen.
Der Rätselstoff
Die Novelle kann man als eine Raumfahrergeschichte lesen, auch wenn sie kein Science Fiction ist. An entscheidender Stelle verändert sich durch den wachsenden Abstand und die ungewohnte Perspektive der Blick auf unseren blauen Planeten radikal. Aber dabei entsteht nicht der sogenannte Overview-Effekt der Astronauten, d.h. dass sie beim Blick zurück die Schönheit der Erde bewunderten und sich ihr tief verbunden fühlten. In der Novelle erinnert der Anblick der Erde eher an das Wort des Blaise Pascal: „Das ewige Schweigen dieser unendlichen Räume erschreckt mich.“ dieser Blick lässt schwindeln und vorzeitig die Rückkehr antreten. Genauer gesagt empfindet das Schwindeln jedoch nur eine, nämlich die Raumfahrerin, deren Namen wir also (zusammen mit dem ihres Liebhabers) suchen. Doch diese ganz und gar angemessene Anmutung der jungen Frau trägt ihr prompt den Vorwurf ein, ihr Geschlecht ertrage den Himmel nicht. Wie zur Buße wird ihr eine längere Krankheit und eine eigenartige Läuterung auferlegt. Nun wirkt sie wunderbar gut und sanft. Man hat dem Verfasser darum traditionelle Rollenklischees vom schwachen Geschlecht nachgesagt, eine Aversion gegen Emanzipation und gegen den Typus der welt(raum)erobernden Frau, gar ein schadenfrohes „Siehst du, das kommt davon!“ gegenüber der als leichtsinnigst bezeichneten Dame, die sich ihren Platz in der Drei-Mann-Besatzung (eben nicht als Mann-, sondern als Frau-Besatzung) gegen Widerstände erkämpfen muss. Aber unser Autor ist viel zu komplex, ja zerrissen für solche hausbackenen Rollenklischees. Oder vielmehr, er hat einen unübertroffenen Sinn für die zwei Seiten der Natur, und das sowohl beim Kosmos als auch bei der Menschennatur. Und so handelt die Novelle eigentlich viel mehr vom Drama des rechten Sehens: Alles hat zwei Seiten, aber wie werde ich zwischen ihnen nicht zerrissen und zerrieben, sondern geläutert und gereift? Wer beim Lesen also nicht nur rasche Urteile fällt, sondern genauer hinschaut, wird bemerken: Bei diesem Drama kommen auf einmal die Männer gar nicht gut weg: weder die beiden anderen Höhen-Flieger, die beide so kalt sind, dass sie sich nicht wie unsere junge Dame tief in Pelze hüllen müssen, um der Kälte da droben zu trotzen; noch der Liebhaber, der ihrer Himmelsreise gleich mit einem Fernrohr recht unzufrieden nachspürt und der sich im Lauf der Erzählung mehr selbstverliebt als hingebungsvoll zeigt. Und kaum hat sich die Liebe beider gezeigt, hat er nichts besseres zu tun, als ihr unverzüglich einen Liebesbeweis zu geben, den sie gar nicht wünscht: zwar nicht eine Weltraum-, wohl aber eine Weltreise. Man kommt nicht umhin, darin auch mehr die Selbstbestätigung seiner stolzen Männlichkeit als wirkliche Hingabe zu erblicken. Im Vergleich dazu erscheint unsere junge Dame als die einzige wirkliche Seherin, gerade weil sie sich das Abgründige, den Zwiespalt und das Verlorengehen in diesem All unter die Haut gehen lässt und aus dieser Erfahrung erst zu echter Liebe, Nähe und Bindung bereit wäre. Ja, wäre, denn das Ganze geht richtig traurig aus. Alles in allem also auch eine Geschichte von Mann und Frau, von ihren verschiedenen Gaben und Wünschen und eine Einladung, dieses Thema mit vielen Schichten nicht einlinig zu sehen – also einmal mehr das Drama des rechten Sehens.
Die Geschichte hat noch viele andere Aspekte, so dass auch die Lektüre zum Drama der vielen Perspektiven führt. Das hat übrigens die germanistische Literatur zu einer Fülle von teilweise konträren Interpretationen geführt, die aber häufig selbst eher wirken wie die beiden männlichen Höhenforscher in der Besatzung, weil sie wie diese meisterhaft messen, analysieren, synthetisieren und geheime Bedeutungen ergründen, aber vielleicht doch nicht so recht zum innersten Pünktlein dieser seltsam widersprüchlichen Seiten gelangen.
Das Rätsel
In unserem Sommerrätsel 2018 sind also gesucht die Vornamen der beiden Hauptpersonen, des weltraumerobernden Fräuleins und des Mannes mit dem Fernrohr. Wer glaubt, die richtige Lösung gefunden zu haben, sende eine Mail an info@awollbold.de (bitte unter Angabe des vollen Namens und der postalischen Adresse sowie der Mailadresse; alle Angaben werden nur im Rahmen dieses Rätsels verwendet). Einsendeschluss ist 3. Oktober 2018 um 24 Uhr. Unter den richtigen Einsendern werden drei Bücher Robert Bellarmin, Ausführliche Erklärung des christlichen Glaubens, verlost. Der Rechtsweg ist wie immer ausgeschlossen.
Wer jetzt noch nicht auf Anhieb die richtige Antwort parat hat, findet hier noch ein paar Spuren, die zum Ziel führen können:
- Der Autor ist ein Grenzgänger, der heute als großer literarischer Versöhner in einer Region gilt, in der es nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer großen Vertreibung kam. Auch sein Vorname kann als Brücke zwischen zwei Kulturen und Sprachgruppen verstanden werden.
- In seinen großen Romanen ist der Autor bei seinen Nicht-Fans als großer Langweiler bekannt, denn Spannung, raschen Szenenwechsel und überraschende Wendungen sucht man vergeblich. Doch das hat auch mit seiner Auffassung von Natur, Kunst, Ordnung und wahrem Leben zu tun, und die hat ihm wiederum eine treue Fangemeinde und in den letzten Jahren sogar eine ziemliche Renaissance eingetragen.
- Eine wichtige Nebenfigur in unserer Novelle ist kein Mensch, sondern ein nachtschwärmender Kater.
- Der Vorname unserer Dame erinnert an eine berühmte römische Namensträgerin, ein Vorbild an Tapferkeit und Nonkonformismus, indem sie ihre Söhne in ihrem sozialrevolutionären Kampf unterstützte.
- Unsere Novelle ist das erste veröffentlichte Werk des Schriftstellers, noch recht romantisch (oder doch bereits antiromantisch?) und vollgepackt mit Ideen und Themen. Das macht sie reizvoll, aber auch ein bisschen dunkel im Verständnis.
- Sie hat vier Zwischenüberschriften, die wie manches andere an Jean Paul erinnern, aber auch an E.T.A. Hoffmann und Robert Schumann.
- Bekannt ist auch seine Beschreibung einer Sonnenfinsterniß (so schrieb er, mit ß statt s!), die er als Augenzeuge erlebt hatte.
- Wohl am bekanntesten aber ist seine Weihnachtsgeschichte aus den Bergen, die alles hat, was es zu Kitsch pur braucht: Schneegestöber, Bergeseinsamkeit, Brüderchen und Schwesterchen, eine große Not und natürlich ein happy end. Und doch hat auch diese Erzählung eine Menge Tiefgang, als würde man in eine Höhle eintauchen.
Viel Spaß beim Rätseln… und vielleicht auch bei Lesen!