Ja, Ansichtssache ist der Roman schon. So wie es in anderer Weise wohl bei aller großen Literatur der Fall ist, die man von mehr als von einer Seite aus betrachten kann. Bei unserem Roman allerdings dann doch vor allem von zwei Seiten. Dafür hat sein Autor schon gesorgt, und zwar durch die Idee, dass da ein recht selbstbewusster Jemand seine Autobiographie auf Makulaturblättern verfasst, die selbst wiederum eine andere Biographie enthalten. Der Setzer aber habe beides in seiner Ignoranz einfach zu einem einzigen Buch vermengt, so dass sich die Geschichten beider Protagonisten manchmal geradezu brutal wechselseitig unterbrechen. Fürwahr ein „litterarischer Vandalismus“. Da können einem die Gedanken im Kopf schon einmal zu kreiseln anfangen. Erschwert wird das Ganze noch dadurch, dass die Autobiographie zwar schön in siebzehn Teilen durcherzählt ist, die Geschichte auf den Makulaturblättern aber durcheinandergeworfen und nur fragmentarisch wiedergegeben wird, so dass die Leser schon einen ziemlich langen Geduldsfaden haben müssen. Pfiffig, diese Idee! Oder eher affig? Ansichtssache…

Die ganz großen Literaturkenner lächeln nun sicher schon wissend und scrollen den Bildschirm nach unten bis zur Einsendeadresse von des Rätsels Lösung. Aber halt! Was ist denn überhaupt gesucht? (Die Kenner werden jetzt murren angesichts eines so plump eingesetzten retardierenden Momentes.) Gesucht ist in dieser Rätselaufgabe nämlich nicht der Titelheld und auch nicht die musikalische Hauptperson der Makulaturblätter, dessen Name es übrigens auch als Titelgeber zu einem berühmten Klavierzyklus gebracht hat. Sondern? Wir suchen den Namen des Klosters, in dem die von Unruhe und Zerrissenheit getriebene Seele eben dieses Zweithelden endlich Frieden findet, wenn auch nur vorübergehend. Immerhin erlebt er dieses Aufatmen so ernsthaft, dass der Abt ihm sogar ernsthaft nahelegen kann, das Benediktinergewand, das er zunächst nur aus Geheimhaltungsgründen trägt, auch mit dem Gelübde eines Benediktiners zu krönen. Daraus wurde dann allerdings nichts, und es konnte schon allein deshalb nichts daraus werden, weil der Autor ihn als Vielzweckwaffe in gleich mehreren seiner Werke verwendete. Wer allein schon seinen Namen als Programm fasst, versteht sofort, dass es bei einem Typen wie ihm niemals zielstrebig geradeaus gehen kann. So ist denn auch der recht dicke Roman unvollendet geblieben, und zum „Aller guten Dinge sind drei“ hat er es nie geschafft.

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In das Kloster geraten ist er auf der Flucht. Dabei stößt er auf einen geradezu programmatisch heiteren, lebenslustigen und ziemlich weinseligen Mönch, der wohl doch besser auf die Werbung eines Heurigenlokals denn auf einen Prospekt von „Berufe der Kirche“ passen würde. Aber ein guter Kerl ist der schon, so ganz und gar untragisch – damit kündigt er schon ein bisschen die heile Welt dieses Klosters an. So findet unser Flüchtiger an diesem geistlichen Ort Anstellung als Komponist und Dirigent. Auch die Mönchsgemeinschaft selbst zeichnet sich weniger durch strenge Askese aus, ja sie wird als ausgesprochen lebensfreudig und zugleich liebenswürdig geschildert, so recht, wie man sich ein barockes süddeutsch-österreichisches Rokoko-Kloster vorstellt. Das alles ist aber so freundlich gezeichnet, ja es erscheint beinahe als eine utopische Kontrastgesellschaft zur Welt eines skurrilen Hofes, der für manchen Spott herhalten muss. Ob so viel Katholizismusbegeisterung bei einem Lutheraner vielleicht von den Jahren in einer der schönsten bayerischen (Entschuldigung: fränkischen) Städte herrührt?

Aber was ist mit dem Ersthelden, der auch Titelfigur ist? Es handelt sich gewissermaßen um einen menschlichen Nichtmenschen, wie ihn beinahe auf der ganzen Welt Unzählige gerne als lieben Hausgenossen haben. Das galt auch für unseren Autor, und das merkt man seinem nachsichtigen Auge an, denn alle Unarten des Helden sind in seinen Augen allenfalls liebenswürdige Angewohnheiten. Was man auch daran sieht, dass die Erzkonkurrenten dieser Gattung, für Kenner doch die eigentlichen besten Freunde des Menschen, hier zu bloßen Randerscheinungen degradiert sind, etwa wenn sie den Gesang einer ganzen Burschenherrlichkeit von ihnen – für nicht vor Liebe Blinde allerdings ein unausstehliches nächtliches Gekreische – rabiat beenden oder der Herzensfreund aus der anderen Gattung charakterlich am Ende doch ziemlich auf den Hund kommt. Wie auch immer, in seinen eigenen Augen handelt es sich um nichts weniger als um ein Genie, und wenn da nicht einfach alles erflunkert und erlogen ist, muss man vor seiner Bildung wirklich sagen: Chapeau! Loriots sprechender Hund ist im Vergleich dazu ein reiner Versager. Freilich sind solche Leistungen zumindest in der Literatur alles andere als außergewöhnlich, ob die Gattungsgenossen nun gestiefelt sind oder nicht. Die eifrigen Rätseler dieser Seiten werden sich vielleicht an eine frühere Literaturaufgabe erinnern, in der auch schon einmal ein Nachtschwärmer der gleichen Gattung unterwegs war. Dass man auf gedruckten Seiten gerne Tiere auftreten lässt, um den Menschen den Spiegel vorzuhalten, das ist seit Äsop und La Fontaine bester Brauch und hat uns so liebenswerte Gestalten wie Winnie the Pooh, die Biene Maja, die Möwe Jonathan, Wilhelm Buschs Hans Huckebein (sein Gift hat er wohl eher vom Autor) und Thomas Manns treuen Hund Bauschan (wer wagt es, bei den anderen Genannten von „bloßer Fiktion“ zu reden?) hervorgebracht. Nicht zu vergessen Cervantes‘ sprechender Hund Berganza, den auch unser Autor anderswo zur Ehren kommen lässt.

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Am Ende gibt es dann noch ein Fest im „Lande der Maskenfreiheit“ – und diese fast prophetische Utopie lässt dann beinahe vergessen, dass der Roman schon genau 200 Jahre auf dem Buckel (wie man in Anspielung auf die Titelfigur etwas doppeldeutig sagen könnte) hat.

Alles in allem ein Roman, der selbst ein einziges Rätsel ist: Geheimnisvolle Zusammenhänge, Andeutungen, magische Praktiken, geistige Verwirrung, dunkle Vorgeschichten u.v.a. durchziehen das Ganze, als wäre es ein riesiges Gewebe.

Wer die richtige Antwort gefunden hat (oder gefunden zu haben glaubt), sende eine E-Mail an:

andreas.wollbold@lmu.de

Geben Sie bei der Antwort eine Mailadresse und Ihren vollständigen Namen an. Diese Daten werden nur im Rahmen dieses Rätsels verwendet. Einsendeschluss ist der

Sonntag, 17. Oktober 2021, um 24 Uhr.

Als Preise werden unter den richtigen Einsendungen drei Exemplare des neuen Krimis „Holy Palace“ verlost. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Die Auflösung des Rätsels ist hier zu finden.

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