Benedikt XVI. / Joseph Ratzinger – eine kleine Erinnerung

Der berufene Kirchenmann, die Gestalt des Papstes Benedikt XVI. zu würdigen, bin ich sicher nicht. Ich war nicht seine rechte Hand, auch nicht – in der heutigen Kirchenlandschaft sehr viel häufiger – seine linke Hand. Auch in meiner theologischen Prägung spielte Ratzinger-Theologie eine erstaunlich geringe Rolle. Erst recht will ich nicht das Wort erheben, um diesen durch und durch edlen Menschen, Gläubigen, Priester und Papst für eigene Zwecke zu gebrauchen und mir dabei aus seinem gewaltigen Oeuvre das herauspicken, was dazu scheinbar zu gebrauchen (oder auch zu missbrauchen) ist. All das also nicht. Aber eine kleine Erinnerung will ich beisteuern, nicht mehr als ein Bild, eine Momentaufnahme. Es war beim Festessen nach einer Priesterweihe im Germanikum, etwa 1982 oder 1983. Der Präfekt der Glaubenskongregation, gerade erst seit 1982 im Amt und noch sichtbar ein Fremdling in vatikanischer Kurialluft, war als Deutscher ebenfalls geladen. Recht vorhersehbar zog sich das Essen in die Länge, und deutsches Pflichtgefühl und vielleicht auch die Gewissheit, nach einem bis zu Ende durchgestandenen üppigen Fest-Pranzo den Rest des Tages nur noch mit einer Pontifikalsiesta verbringen zu können, ließen Ratzinger nach dem zweiten Gang aufstehen und quer durch die Stadt zurück in den Palazzo del Sant’Ufficio eilen. Da geschah es. Karl Rahner, der alte Theologen-Haudegen, der gerade zu einer Konferenz in Rom weilte und ebenfalls am Essen teilnahm, schoss von seinem Platz auf, eilte dem Präfekten mit einem lauten Ruf nach und erreichte ihn am Ausgang des Speisesaales. Ganz offensichtlich bedrängte er den Kardinal in einer hochwichtigen Sache, also etwa dem II. Vatikanischen Konzil. Vielleicht genoss der Jesuitentheologe auch das kleine Intermezzo vor unzähligen Augen, was man von Ratzinger sicher nicht sagen konnte, dem jede Wichtigtuerei peinlich war. Weiterlesen

Habeo Papam

„Annuntio vobis gaudium magnum. Habemus Papam: Eminentissimum ac Reverendissimum Dominum, Dominum Josephum Sanctae Romanae Ecclesiae Cardinalem… Ratzinger, qui sibi nomen imposuit Benedictum XVI.“

Foto: Quelle http://www.flickr.com/photos/djsacche/185335570/

Zweierlei ist mir von jener goldenen Abendstunde des 19. April 2005 im Gedächtnis geblieben: die geradezu genüsslich in die Länge gezogene Kunstpause nach dem Vornamen, im sicheren Gespür dafür, dass beinahe jeder zweite ordentliche Priester José, Giuseppe, Sepp oder eben Joseph heißt; außerdem die einfache schwarze Strickjacke unter dem Talar, die der sicher nicht mit der Konstitution eines oberbayerischen Gebirgsschützen ausgestattete Gendarmensohn aus Marktl am Inn vorsorglich in die Sixtina mitgenommen hatte und die er, sicherlich ob der Wahl leicht ins Schwitzen gekommen, oben auf der Loggia, einem trügerischen Frühling und auffrischenden Aprilwinden ausgesetzt, klugerweise nicht ablegen wollte. Weiterlesen