Therese von Lisieux, Geschichte einer Seele. Herausgegeben, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Andreas Wollbold, Freiburg i.Br.: Herder 2016

 

Die Lebensgeschichte von Therese von Lisieux: neu übersetzt und erschlossenGeschichte einer Seele

Therese von Lisieux, eigentlich Theresia vom Kinde Jesus und vom heiligen Antlitz (1873-1897), hat mit ihrer selbst verfassen Lebensgeschichte, die unter dem Titel „Geschichte einer Seele“ veröffentlicht wurde, ein spirituelles Buch hinterlassen, das bis heute weltweit stark rezipiert wird. Auch in Deutschland ist Thereses Text der Hingabe an Gott und die Mitmenschen zu einem Klassiker der spirituellen Literatur geworden.

Andreas Wollbold hat dieses bedeutende Buch für die heutige Zeit neu übersetzt und durch viele Anmerkungen neu erschlossen. Zahlreiche historische Abbildungen illustrieren den Lebensweg Thereses, die 1925 heiliggesprochen und 1997 zur Kirchenlehrerin erhoben wurde. Mit Leineneinband und Leseband.

 

 

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Originaleinband der „Histoire d’une âme“ (1940)

Hintergrund:

Therese von Lisieux (1873-1897) ist von einem Doktoratsthema zu einem Lebensthema geworden. Als ich 1989 ein Thema für meine pastoraltheologische Dissertation bei Heinz Feilzer (Trier) suchte, wollte ich mich noch nicht technischen Einzelfragen widmen, sondern die Grundlage sichern. „Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut“ (Ps 127,1). Erneuerung der Kirche kann nur von Gott kommen. Darum sind die Heiligen die wahren Reformer der Kirche. Zunächst war die Idee, Thereses Wirkungsgeschichte nachzugehen, hat sie doch ungemein inspirierend gewirkt, etwa auf den Dichter Georges Bernanos, die französischen Arbeiterpriester oder die charismatische Erneuerung. Bald wurde jedoch klar: Zunächst muss die „Erneuerung aus Gottesverwurzelung“, wie später der Untertitel des Fakultätsfassung lautete, in ihrem eigenen Lebenslauf mit Hilfe der mystagogischen Methode herausgearbeitet werden, die ich für diesen Zweck in Auseinandersetzung mit Karl Rahner weiterentwickelte. Die Dissertation fand viel Anklang, erschien später sogar in Zweitauflage und wurde ins Italienische übersetzt. Ich selbst aber wandte mich anderen Themen zu – doch Therese wandte sich nicht von mir ab. In Zusammenarbeit mit dem Theresienwerk e.V. gab ich verschiedene ihrer Schriften auf Deutsch heraus und verfasste „Im Rhythmus der Liebe“, ursprünglich eine Artikelserie zum 100. Todestag für die „Karmel-Impulse“ und einige andere Vorträge und Beiträge. Etwa 2010 wurde ich für eine Einführung in Thereses Leben und Werk angefragt, die dann in der bekannten Topos-Reihe erschien. Eine gute Ergänzung dazu war die Bitte des Marix-Verlages zu einer Anthologie von Texten zur „Mystikerin“ Therese von Lisieux. Doch eine richtig große Sache stand noch aus: eine kommentierte Neuübersetzung der „Geschichte einer Seele“. Allein die Übersetzung zog sich über zehn Jahre hin. Gleichzeitig sollten  die umfangreichen Anmerkungen, Einleitungen sowie Personen- und Sachinformationen die deutschsprachigen Leser mit dem enormen Kenntnisstand der heutigen Forschung vertraut machen. Herausgekommen ist ein wirklich schmucker Band, der den Namen Klassiker zu Recht verdient.

Außerdem noch verschiedene Textausgaben von Gebeten, Theaterstücken, Gedichten und vermischten Schriften Thereses, die ich übersetzt habe, und weitere Bücher (Näheres beim Theresienwerk):

* Theresienwerk e. V. Augsburg (Hg.), Therese von Lisieux. Theaterstücke. Eingeführt von Andreas Wollbold. Übersetzt von Anja Schulze, Leutesdorf: Johannes Verlag 2002.
* Ich besinge, was ich glauben will. Die Gedichte der heiligen Theresia von Lisieux (=Begegnung mit Theresia von Lisieux. Hg. vom Theresienwerk e.V., Augsburg), Leutesdorf: Johannes Verlag 1994.
* Therese von Lisieux, Schriften und Aufzeichnungen. Aus dem Nachlaß der Heiligen. Hg. vom Theresienwerk e.V. Augsburg. Übersetzt von Harald Beck. Eingeleitet und kommentiert von Andreas Wollbold, Leutesdorf: Johannes Verlag 1996. – Zweite Auflage 2001.
* Therese von Lisieux. Gebete. Eingeleitet und übersetzt von Andreas Wollbold, Leutesdorf: Johannes Verlag 1999.

Bücher über Therese von Lisieux:

* Therese von Lisieux. Eine mystagogische Deutung ihrer Biographie (=Studien zur systematischen und spirituellen Theologie 11), Würzburg: Echter 1994 [meine Dooktorarbeit].
* Im Rhythmus der Liebe. Geistlich leben mit Therese von Lisieux – Lehrerin der Kirche, Leipzig: Benno-Verlag 1998.
* Therese von Lisieux. Auf dem kleinen Weg, Kevelaer: Verlagsgemeinschaft „Topos plus“ 2012.

* Therese von Lisieux, Mein lieber kleiner Bruder. Briefwechsel mit zwei Missionaren, Würzburg: Echter 2006.
* Die Mystikerin Therese von Lisieux. Textauswahl und Kommentar, Wiesbaden: Marix 2016.

 

Video mit einem Interview zur „Geschichte einer Seele“

Leseprobe aus der „Geschichte einer Seele“ (Ms A 15v-17r)

 

Mit Victoire bei der Maiandacht. Ich liebte den lieben Gott sehr und schenkte ihm ganz oft mein Herz mit Hilfe des kleinen Gebetes, das Mama mir beigebracht hatte.[1] Eines Tages oder besser Abends im schönen Monat Mai beging ich einen Fehltritt, der es wert ist, hier berichtet zu werden. Er war für mich ein echter Anlass zur Demut, und ich glaube, ich habe für ihn vollkommene Reue empfunden. – Da ich zu klein war, zur Maiandacht zu gehen, blieb ich mit Victoire[2] zuhause und hielt hier mit ihr meine Andacht vor meinem kleinen Maialtar, den ich nach meinem Geschmack gebaut hatte. Alles – Kerzenständer und Blumenvasen – war so klein, dass zwei Wachskerzchen es bestens beleuchteten. Einige Male schenkte Victoire mir unerwartet zwei kleine Wachsdochte[3], aber das kam nur ganz selten vor. Eines Abends war alles bereit, um mit dem Gebet zu beginnen, und ich sagte zu ihr: „Victoire, würden Sie bitte mit dem Gebet ‚Gedenke’ anfangen. Ich zünde derweil die Kerzen an.“ Sie tat so, als wollte sie anfangen, sagte aber nichts und schaute mich lachend an. Ich musste zusehen, wie meine kostbaren Kerzchen schnell herunterbrannten, und flehte sie an, doch das Gebet zu sprechen. Sie aber schwieg weiterhin. Da stand ich auf und sagte ihr ganz laut, sie sei böse. Verschwunden war meine normalerweise sanftmütige Art, und ich stampfte mit aller Kraft auf den Boden…. Der armen Victoire war die Lust am Lachen vergangen. Ganz verblüfft schaute sie mich an und zeigte mir den Wachsdocht, den sie mir mitgebracht hatte… Nach Tränen des Zorns vergoss ich nun Tränen aufrichtiger Reue, verbunden mit dem festen Vorsatz, es nie wieder zu tun!…..

Noch ein Abenteuer mit Victoire. Ein andermal geriet ich mit Victoire nochmals in ein Abenteuer. Diesmal empfand ich aber überhaupt keine Reue, denn ich bewahrte vollkommen die Ruhe. – Ich wollte ein Tintenfass haben, das sich auf dem Kamin in der Küche befand. Ich war zu klein, es mir zu nehmen, und bat darum Victoire sehr freundlich, es [16r] mir zu geben. Sie weigerte sich und sagte, ich solle auf einen Stuhl steigen. Wortlos nahm ich einen Stuhl, dachte aber dabei, dass sie nicht gerade hilfsbereit sei. Da ich sie es spüren lassen wollte, suchte ich in meinem kleinen Kopf danach, was mich selbst am meisten beleidigen würde. Oft, wenn sie sich über mich geärgert hatte, bezeichnete sie mich als „kleinen Knirps“, und unter einer solchen Geringschätzung litt ich gewaltig. Bevor ich also von meinem Stuhl heruntersprang, wandte ich mich voll Würde um und sprach zu ihr: „Victoire, Sie sind ein Knirps!“ Dann rannte ich davon und ließ sie das tiefgründige Wort betrachten, das ich soeben an sie gerichtet hatte…. Die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten, und bald hörte ich sie schreien: „Mamsell MaariTheras hat gerad‘ zu mir gesagt, ich bin ein Knirps!“ Marie kam herbei und ließ mich um Entschuldigung bitten. Das tat ich auch, allerdings ohne Reue, weil ich fand, dass Victoire den Titel Knirps verdiente, wenn sie ihren langen Arm nicht ausstrecken wollte, um mir einen kleinen Dienst zu erweisen….. Dabei hatte sie mich aber sehr gern, und auch ich mochte sie. Einmal rettete sie mich aus einer großen Gefahr, in die ich aus eigener Schuld geraten war. Victoire war beim Bügeln und hatte darum einen Eimer Wasser neben sich stehen.[4] Ich schaute ihr zu, und dabei schaukelte ich (wie immer) auf einem Stuhl. Auf einmal bekam der Stuhl Übergewicht, und ich fiel, aber nicht zu Boden, sondern auf den Grund des Eimers!!!… Meine Beine waren an meinen Kopf gedrückt, und ich füllte den Eimer aus wie ein Küken sein Ei!.. Völlig verdattert schaute mich die arme Victoire an, denn so etwas hatte sie noch nie gesehen. Allzu gerne wäre ich so schnell wie nur möglich aus meinem Eimer gekrochen, aber es ging nicht. Mein Gefängnis saß wie angegossen, ich konnte nicht die geringste Bewegung machen. Mit ein wenig Anstrengung rettete sie mich aus meiner großen Gefahr, aber nicht mein Kleid und alles andere, was sie mir wechseln musste, denn ich war triefnass.

Kathedrale St. Pierre von Lisieux, wo Therese zur Erstbeichte ging

Erste Beichte. Ein andermal fiel ich in den Kamin. Zum Glück [16v] brannte darin gerade kein Feuer. Victoire brauchte mich nur herauszuheben und mir die Asche abzuklopfen, mit der ich bedeckt war. Diese Abenteuer passierten immer mittwochs, während Sie zusammen mit Marie bei der Chorprobe waren. Wieder an einem Mittwoch kam Kaplan Ducellier[5] zu Besuch. Nachdem Victoire ihm gesagt hatte, dass niemand zuhause sei außer der kleinen Therese, kam er in die Küche, um mich zu besuchen, und schaute sich meine Hausaufgaben an. Ich war sehr stolz, meinen Beichtvater zu empfangen, denn kurz zuvor war ich zum ersten Mal zur Beichte gegangen.[6] Wie gern erinnere ich mich daran!…

Meine liebe Mutter, wie viel Sorgfalt hatten Sie auf meine Vorbereitung verwendet! Sie hatten mir gesagt, dass ich meine Sünden nicht einem Menschen, sondern dem lieben Gott sagen würde. Davon war ich felsenfest überzeugt, und so legte ich meine Beichte mit einem tiefen Glauben ab. Ich fragte Sie sogar, ob ich Kaplan Ducellier nicht sagen müsse, dass ich ihn von Herzen liebe, weil er ja in der Beichte die Person des lieben Gottes vertritt…..

Ich wusste ganz genau über alles Bescheid, was ich zu sagen und zu tun hatte. So trat ich in den Beichtstuhl und kniete nieder. Doch als Kaplan Ducellier die Klappe zum Beichtgitter öffnete, erblickte er niemanden. Ich war so klein, dass mein Kopf sich unterhalb der Armstütze befand, und so sagte er mir, ich solle mich hinstellen. Ich stand gehorsam auf, drehte mich ganz zu ihm um, um ihn gut sehen zu können, beichtete wie ein großes Mädchen und empfing sehr andächtig seinen Segen[7], denn Sie hatten mir gesagt, dass in diesem Augenblick die Tränen des kleinen Jesus meine Seele reinigen würden. Ich weiß noch, dass mein erster Beichtzuspruch mich zur Verehrung der allerseligsten Jungfrau einlud, und ich nahm mir fest vor, meine Liebe zu ihr zu verdoppeln. Beim Verlassen des Beichtstuhls war ich so glücklich, und das Herz war mir so leicht. Noch nie zuvor in meinem Leben hatte ich eine solche innerliche Freude [17r] empfunden. Von da an beichtete ich zu allen großen Festen[8], und jedes Mal war es ein wirkliches Fest für mich.

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Anmekungen zum Text:

[1] „Mein Gott, ich schenke dir mein Herz. Nimm es an, wenn du willst, damit kein Geschöpf es besitzt, sondern nur du allein, mein guter Jesus!“ (MA 64f.; vgl. PO 156 [als kleines Kind wiederholte sie ihr Morgengebet mit der Hingabe des Herzens häufig untertags]). Der gleiche Geist findet sich auch in traditionellen deutschen Kindergebeten, etwa im folgenden: „Ich bin klein, mein Herz ist rein. Soll niemand drin wohnen als Jesus allein.“ – Die folgende Episode könnte sich im Mai 1878 abgespielt haben, also im ersten Marienmonat Mai in den Buissonnets.

[2] *** Victoire Pasquer (10. Dezember 1857 – 10. August 1935) war Hausmädchen zunächst bei Guérins, dann bei Martins bald nach deren Umzug nach Lisieux im November 1877 bis zum Jahre 1884, als sie sich als Waschfrau in Lisieux selbständig macht. Ab 1887 zieht sie mehrfach um, bis sie spätestens ab 1914 als fahrende Obsthändlerin arbeitet. Bei den beschriebenen Erlebnissen war sie also etwa dreiundzwanzig Jahre alt. Auf Victoire Pasquer folgte ein neues Dienstmädchen namens Marie Hubert, genannt „Félicité“; sie blieb bis zu ihrer Verheiratung 1887. Im gleichen Jahr hat Céline kein Glück mehr mit den Dienstmädchen, und sie muss in rascher Folge mehrere Dienstmädchen einstellen und wieder entlassen bzw. deren Kündigung entgegennehmen, so die erste, die bereits nach zwei Wochen mit der Begründung ging: „In den Buissonnets ist das Leben wie in einem Kloster, und sie möchte etwas von draußen mitbekommen“ (Gaucher 194). Dann musste Rose Harel nach nur vier Tagen wieder entlassen werden, weil sie beim Kochen einen Fehler nach dem anderen beging. Erst nach einigen Wochen der Suche fand man die bereits vierzigjährige „Maria mit den kleinen Holzschuhen“, doch sie ging nach vier oder fünf Monaten wieder, weil die Arbeit zu anstrengend gewesen sei. Die junge „Rondela“ (eigentlich Maria) wurde am 1. Januar 1888 entlassen, weil sie sich mit ihren Freunden betrunken hatte. Die wiederum bereits vierzigjährige Pascaline vom Land konnte weder lesen noch schreiben, behielt beim Katechismus durch Céline nichts und dachte, Joseph wäre das Kind Marias. Sie musste nach einigen Monaten entlassen werden, weil sie die Martins betrogen hatte. Die zweiundzwanzigjährige Maria Cosseron wurde erst um Pfingsten 1888 eingestellt, d.h. nach Thereses Karmeleintritt. Léonie bezeichnete sie zwar als „Maria l’endormie (Maria, die Schlafmütze)“, aber dennoch blieb sie der Familie über Jahre hinweg verbunden. Als 1889 Céline keine Hilfe mehr brauchte, wechselte sie zu Guérins. – In guten Häusern wie denen der Martins achtete man in der Erziehung darauf, dass die Kinder im Respekt vor dem Dienstpersonal erzogen wurden und sich keine „Herrenmanieren“ angewöhnten. „Behandeln Sie Ihre Hausangestellten mit Sanftmut und geben Sie ihnen alles, was sie nötig haben“, schrieb Therese am 9. Februar 1886 in das Schulheft 6, S. 7 (CETL 98).

[3] Solche Baumwolldochte, die in Wachs oder Stearin getränkt waren, brannten nur langsam herunter und eigneten sich deshalb als Beleuchtung an dunklen Orten wie in einem Keller (darum ihr Name „rats-de-cave [Kellerratten]“).

[4] Man benötigte zum Bügeln mehr Wasser als heute, da die Wäsche nach dem Waschen und Trocknen oft sehr steif war.

[5] *** Alcide Ducellier (14. November 1849 – 20. Dezember 1916) wurde 1874 zum Priester geweiht und 1877 auf seine zweite Kaplansstelle an der Kathedrale Saint-Pierre von Lisieux ernannt. Nach zwei Pfarrstellen in den Jahren 1884-1899 wurde er wiederum an der Kathedrale Saint-Pierre zum Erzpriester und Pfarrer ernannt und blieb es bis zu seinem Tod. Er galt als Priester „von feinem Taktgefühl und einem großen Herzen“ (Diccionario 317), war der Familie Martin sehr verbunden, wurde Paulines Seelenführer während ihrer Jahre in den Buissonnets und hielt auch die Predigt zu ihrer Einkleidung 1883 bzw. später zur Einkleidung und zum Schleierfest Célines (1895 und 1896). Vgl. PO 587-588; PA 402-404.

[6] Im Sommer 1879 (so Pauline in PO 151) oder etwa 1880 (Abbé Ducellier in PA 403), also entsprechend dem kirchlichen Recht, das mit dem siebten Lebensjahr das Alter des Vernunftgebrauchs ansetzt; vgl. Ms A 34v. Zu Thereses Auffassung von der Beichte entsprechend ihrem Katechismusunterricht vgl. Schulheft 22, S. 69f. (CETL 445f.).

[7] Es war gängige Praxis, die Kinder zunächst einige Jahre beichten zu lassen, ohne ihnen sakramental die Absolution zu erteilen. Dadurch wollte man sie an Gewissenserforschung und Beichtbekenntnis gewöhnen, ohne aber von einem Kind bereits die strengeren Forderungen der sakramentalen Form, insbesondere die Vollständigkeit des Bekenntnisses, zu verlangen. Darum wurde eine solche Beichte einfach mit einem Segen abgeschlossen, so wie man es auch bei Erwachsenen tat, wenn der Priester keine Absolution geben konnte. Wegen des Beichtgeheimnisses musste diese Tatsache ja nach außen hin verborgen bleiben; der Segen sah für Außenstehende aber wie die Absolution aus. Papst Pius X. verwarf die Praxis der nichtsakramentalen Kinderbeichte 1910 und verlangte, dass die Kinder ab Erlangung des Vernunftgebrauches, d.h. in der Regel mit sieben Jahren, auch sakramental beichteten (vgl. Guibert Nrr. 586-590). – Die Gewissenserforschung hielt ein Kind für gewöhnlich zusammen mit der Mutter, hier also mit Pauline, welche die Mutterstelle vertritt.

[8] Also wohl etwa einmal im Monat.

 

6 Gedanken zu “Therese von Lisieux

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