Leselust (1): Franz Werfel

Franz Werfel (1890 Prag – 1945 Beverly Hills) – Romane und Erzählungen

Eigentlich gibt es nicht den Werfel, sondern ihrer mindestens vier:

  1. den Verfasser expressionistischer Lyrik und avantgardistischer Bühnenwerke,
  2. den Essayisten und Botschafter eines Humanismus mit tief religiösem Sinn (zum Blättern und Festlesen der dicke Band „Zwischen oben und unten“),
  3. den Menschen aus einem einzigartigen Milieu, dem Prager Deutschjudentum (so wie etwa Franz Kafka, mit dem er befreundet war), und einer bewegten Geschichte und
  4. den begnadeten Erzähler.

Und dazu das Bekenntnis: Ich schätze und achte den Werfel 1 bis 3, aber ich liebe den Werfel 4. Das mögen manche Literaturgescheiten anders sehen und seine experimentellen Werke bahnbrechender, gewagter und sprachlicher eindrucksvoller ansehen.

Zeichnung von Franz Werfel durch Erich Büttner (1915; National Library of Israel, Schwadron collection)

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Osterrätsel 2018

Ein kluger Kopf…

strohblond, ein dicker Kopf, groß, stämmig, gesund, zäh und auf dem Haupt ein wenig kahl…

Als er dieses Buch begann, lebte er für einige Jahre in einem weltweit bekannten Wallfahrtsort, und zwar an einem durchaus idyllischen Platz mit einem guten Blick über die Dächer der Stadt und direkt neben einer schönen alten Kirche, die heute vor allem wegen ihrer uralten Holztüren bestaunt wird. Diese war zwar nicht vorrangiges Wallfahrtsziel, aber doch liturgisch an einem besonderen Tag sehr bedeutsam. Doch er war ohnehin ganz der Gelehrte, der am liebsten zwischen Büchern oder unter Studenten saß, lehrte, schrieb oder diskutierte. Dass er – strohblond, ein dicker Kopf, groß, stämmig, gesund, zäh und auf dem Haupt ein wenig kahl – freilich überhaupt den Mund aufmachte, war nicht selbstverständlich, denn seine Freunde verglichen ihn liebenswürdig-ironisch mit einem Tier, das nur sehr gelegentlich von sich hören lässt. Weiterlesen