Berge ungelesener Bücher – ein erster Überblick

In jeder alten Pfarrbücherei fanden sie sich meterweise: die katholischen Bücher. Aber was war das? Um nicht unter Bücherbergen begraben zu werden, beschränken wir uns bei dieser Frage sofort auf die Belletristik. D.h. wir schließen die Glaubensbücher, Katechismen, Bibel- und Heiligenbücher, liturgischen Hilfen und natürlich die breite Sparte katholischer Kinder- und Jugendliteratur aus. Um katholische Literatur also geht es uns hier, um Belletristik. Dabei fallen uns vielleicht auf Anhieb die Romane und Essays des französischen „renouveau catholique“ ein, der seine Blütezeit in der Zwischenkriegszeit 1918-1939 hatte, also an Namen wie Léon Bloy, Charles Péguy, Paul Claudel und vor allem die beiden großen Romanciers Georges Bernanos und François Mauriac.[1] Der „renouveau“ strahlte aus bis in die Literatur deutscher Sprache. Theologen wie Hans Urs von Balthasar waren von ihnen tief geprägt. (Er hat sogar eine große Monographie „Der Christ Bernanos“ verfasst.) Das II. Vaticanum wäre ohne deren Impulse kaum vorstellbar gewesen. Doch auch die angelsächsische Literatur ist erstaunlicherweise reich an populären katholische Autoren, die noch einmal ganz anders ansetzen, oft weniger schwermütig, so Gilbert K. Chesterton (1874-1936), Clive Staples Lewis (1898-1963), Evelyn Waugh (1903-1966), Graham Greene (1904-1991, bes. „Der dritte Mann“ mit seiner berühmten Verfilmung und „Die Kraft und die Herrlichkeit“) und er leider weithin vergessene Bruce Marshall (1899-1987, bekannt „Das Wunder des Malachias“). Bei deutschsprachiger katholischer Literatur denkt man vielleicht Gertrud von le Fort, Werner Bergengruen, Edzard Scharper, Reinhold Schneider, Stefan Andres, vielleicht auch Ernst Wiechert (der evangelisch war) ein und dann seit den 50er und 60er Jahren – mit deutlich veränderter Tonlage und zunehmend kirchenkritisch – Heinrich Böll und Luise Rinser. Dann freilich tröpfelt es fast schlagartig aus. Es ist, als hätte die Öffnung zur Welt durch „Gaudium et Spes“ die Bücher katholischer Autoren mit einem Sinn für die Vermittlung des Glaubens in die Welt zugeklappt! So finden wir gegenwärtig fast nur noch Autoren, die:

  • einen biographischen Hintergrund im kirchlichen Leben haben und diesen literarisch verarbeiten (Martin Walser, Hanns-Josef Ortheil, besonders mit „Die Erfindung des Lebens“, worin dieser durchaus positiv von seiner rheinisch-katholischen Kindheit und etwa dem Erlebnis des Gregorianischen Chorals erzählt),
  • allgemein rezipierte Literaten mit einem mehr oder weniger erkennbaren katholischen Hintergrund (z.B. Adalbert Stifter oder Joseph von Eichendorff),
  • von Theologen gern gelesen und zitiert sind (von Bert Brecht bis Günter Kunert),
  • Themen des Glaubens oder des kirchlichen Lebens zum Gegenstand haben, ohne doch auf dem Hintergrund des Glaubens verfasst worden zu sein (etwa Petra Morsbach mit „Gottes Diener“, einem Episodenroman rund um einen realistisch, aber durchaus mit Sympathie geschilderten Priester im Bistum Passau)[2],
  • in einschlägigen Kreisen als bewusst katholische[3], teilweise bekenntnishaft evangelisierende Literatur wahrgenommen werden[4], so „Father Elijah – An Apocalypse“ von Michael D. O’Brien von 1996,
  • durch Stellungnahmen oder eigene Praxis markante Punkte in der katholischen Landschaft ausmachen (so am bekanntesten der Büchner-Preisträger und renommierte Frankfurter Autor Martin Mosebach mit einem intelligenten Traditionalismus).

Älter, reicher und vielfältiger – was katholische Literatur auch noch alles zu bieten hat

Aber katholische Literatur ist älter, reicher und vielfältiger als dieses kurze Aufblühen von zwei oder drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts:

1. Älter: Wir wollen hier gar nicht erst die kanonischen neutestamentlichen Schriften erwähnen, die ja eine erstaunliche Bandbreite literarischer Genera bieten und insbesondere beim bios (Evangelien und Acta) und Apokalypse (Offenbarung des Johannes) auch sprachlich Unübertroffenes geleistet haben. Wohl aber ist beinahe zeitgleich eine Fülle von Literaturen entstanden, die mit größerer Freiheit mit historischem Stoff umgehen, dafür aber noch mehr erbauen, ermahnen, verehren, abschrecken… und unterhalten wollen. Das sind allem voran:

  • die Märtyrerakten und Passionen (lesenswert insbesondere die montanistisch geprägten Akten von Perpetua und Felicitas und die Passion des Clemens von Rom), apokryphe Literatur (u.a. Evangelien, Apostelakten und Apokalypsen).
  • Der wichtigste frühchristliche Autor von Literatur ist dabei ein Autorenkollektiv: Das Werden der Liturgie mit ihrer sprachbildenden Kraft in Orationen, Präfationen und canones, aber auch Hymnen und später Sequenzen stellt auch ein unvergleichliches Sprachkunstwerk dar.
  • Doch es gibt auch erste Versuche einer Personalliteratur, also namentlich bekannter Autoren, die der antik-heidnischen Literatur in Lyrik, Erzählung oder Epos Gleichrangiges zur Seite stellen wollen. Zu nennen wären etwa das Gregor von Nazianz zugeschriebene Drama „Christus patiens“, der Versuch einer christlichen Tragödie, oder die reiche lateinische Dichtung des Prudentius – erwähnen wir pars pro toto das „Cathemerinon“ zu verschiedenen Tageszeiten und Kirchenfesten.[5]

2. Reicher: Man hat sich bereits vergriffen, wenn man katholische Literatur nur oder auch nur vorwiegend in der Hochkultur der belles lettres sucht. Typisch für katholische Literatur ist dagegen häufig ihr volksnaher Charakter – teilweise mit dezidiert erzieherischem Anspruch. Dass das keineswegs langweilig oder blutleer abgeht, zeigen so unterschiedliche Beispiele wie die unbestritten beliebsteste Gattung der Heiligenlegende[6], aber auch die viel speziellere des Katakombenromans (unten werden wir noch Nicolaus Wisemann und Anton de Waal erwähnen) oder des bisweilen herrlich kulturkämpferischen fruchtbaren Verfassers von kürzeren und längeren Erzählungen, Konrad Kümmel. Doch es gibt noch mehr:

  • Da sind auch in den Reihen der Klassiker Autoren katholischer Herkunft und Prägung, die Weltliteratur verfasst haben. Dabei denken wir etwa an Joseph von Eichendorff, Adalbert Stifter und Annette von Droste-Hülshoff[7]. Ein besonderer Fall sind die Konvertiten und Halbkonvertiten, in deren Werkgeschichte sich Spuren ihrer Suche nach der Wahrheit, nach Gott und der Kirche widerspiegeln – besonders eindrucksvoll bei Alfred Döblin.[8] Schließlich sollte man die kirchenreformerische Bedeutung narrativer Literatur nicht verkennen, etwa bei dem einem Reformkatholizismus unter Pius X. nahestehenden Ugo Fogazzaro.[9]
  • Auch der „renouveau catholique“ ist reicher und breiter als meistens bekannt. Wir weisen hier nur auf den vielleicht besten seiner Romane hin, der aber weithin in Vergessenheit geraten ist, bis kein anderer als Papst Franziskus ihn vor dem Vergessen bewahrte: Joseph Malègue und sein „Augustin ou le Seigneur est là“ und „Les classes moyennes du salut“.
  • Ganz im Sinn des II. Vaticanums ist die Tatsache, dass die katholische Literatur manche Freunde hat, darunter auch solche Großgestalten wie der russisch-orthodoxe Fjodor Dostojewski (nun gut, als „Freund“ der Katholiken hätte er selbst sich sicher nicht bezeichnet), Franz Werfel und Joseph Roth. Dass beide Letzteren Juden sind, erstaunt nicht, bedenkt man die Nähe des Katholizismus zu dieser Religion der Torah.[10]

3. Vielfältiger: Die Gattungen sind ganz variabel. Da finden sich die großen klassischen Formen von Gedicht[11] und Hymnus und seit 200 Jahren von Roman und Erzählung. Daneben aber finden wir auch vor allem in der Barockzeit im Umkreis von Schulen und Kongregationen das barocke Drama. Calderon ist hier unsterblich geworden (etwa „Das Leben, ein Traum“), aber leider kaum mehr bekannt ist die reiche und hochstehende Literatur der Jesuiten (Franz Neumayr, etwa sein „Filius prodigus“) oder Benediktiner.

Gerade in Deutschland ist das christliche Lied – sicher auch wesentlich angeregt durch die enorme Bedeutung, die der deutsche Volksgesang mit der Reformation bekommen hat – eine unerschöpfliche Quelle der Dichter. Hier nennen wir Friedrich Spee von Langefeld aus dem Barock. Aus der neueren Zeit waren es vor allem Texter aus dem Umfeld der Bewegungen der 20er – 50er Jahre wie das Ehepaar Marie Luise (1912-2005) und Georg Thurmair (1909-1984), die, breit gefördert, den Weg in die beiden „Gotteslob“ gefunden haben. Vom neuen geistlichen Lied wollen wir hier dagegen schweigen, denn eine literarische Qualität ist zumeist nicht erkennbar.

Nicht zu vergessen ist schließlich der Kriminalroman mit einer stolzen Reihe von Autoren (Ralph McInerny, Andrew Greeley u.v.a.), angeführt vom unbeschreiblich erfolgreichen Gilbert Keith Chesterton, und – vor allem im englischsprachigen Bereich – das Epos (klassisch John R. R. Tolkiens [1892-1973] „Herr der Ringe“ und seine verwandten Werke).

Besonders zu nennen ist schließlich die katholische Kinder- und Jugendliteratur – natürlich aus nachvollziehbaren Gründen ein besonderer Liebling unserer Pfarrbüchereien. Hier nennen wir vor allem die Jugendbücher von Konrad Kümmel und aus dem Französischen die bis heute gern gelesenen Romane der Comtesse de Ségur, etwa „L‘auberge de l‘ange gardien“ oder „François le bossu“.

Gelacht werden kann auch auf katholisch – wer die todernsten, immer ein bisschen kalvinistischen Autoren der ersten Jahrhunderthälfte des 20. Jh.s im Ohr hat, möchte es kaum glauben. Am bekanntesten ist hier Giovanni Guaresci‘s unsterblicher „Don Camillo“ mit vielen Fortsetzungen.

Bestenliste 1: Roman und Erzählung

Doch wir wollen uns nicht im Grundsätzen verlieren. Greifen wir darum einige lesenswerte Werke heraus. Sie sind nicht repräsentativ, aber doch facettenreich und lohnen sicher die Lektüre. Dazu haben wir zwei ganz persönliche und damit natürlich notwendig sehr subjektive Bestsellerlisten aufgestellt. Die erste behandelt die Gattung Epos/Roman/Erzählung, die zweite bildet die Vielfalt der literarischen Genres ab.

Luca Signorelli (1441–1523), Dante (Fresko im Dom von Orvieto)
  1. Dantes Alighieri (1265-1321) „La Divina Commedia (Die Göttliche Komödie)“
  2. Alessandro Manzoni (1785-1873), Die Brautleute („Die Verlobten“)
  3. Joseph Malègue (1876-1940), Augustin ou le Maître est là („Augustin“)
  4. Nicholas Wiseman (1802-1865), Fabiola. Die Kirche der Katakomben (1854)
  5. Georges Bernanos (1888-1948), Tagebuch eines Landpfarrers
  6. François Mauriac (1885-1970), Das Natterngezücht
  7. Sigrid Undset (1882-1949), Kristin Lavranstochter
  8. Evelyn Waugh (1903-1966), Wiedersehen mit Brideshead
  9. [Carte blanche]
  10. [„Publikumspreis der ‚Freunde des Katholizismus‘“:] Franz Werfel (1890-1945), Der Stern der Ungeborenen

Am Anfang steht also gleich der König: Dantes „Divina Commedia“. Danach springen wir gleich zu dem katholischen Roman schlechthin, Alessandro Manzonis „I promessi sposi (Die Brautleute)“ und dann einem weitgehend Unbekannten, Joseph Malègue und „Augustin ou le Maître est là“. Wir bleiben noch ein wenig im 19. Jahrhundert und schlagen den Katakombenroman „Fabiola“ des Kardinals (!) Nicholas Wiseman auf – seinerzeit ein Welterfolg. Und dann natürlich doch auch der „renouveau catholique“. In der Pastoraltheologie ein must ist „Das Tagebuch eines Landpfarrers“ von Georges Bernanos. Daneben stellen wir den (wirklich besser lesbaren) François Mauriac und sein „Natterngezücht“. Bei den Franzosen läuft es einem schon mal eiskalt den rücken herunter, so böse ist ihre Welt. Da ist es nicht mehr weit bis Skandinavien: Sigrid Undsets „Kristin Lavranstochter“. Richtig modern, teilweise auch geradezu verworfen, geht es zu in Evelyn Waughs „Wiedersehen in Brideshead“ – schon zwei Mal mit großem Aufwand verfilmt – warum, das lässt sich bei der Lektüre zumindest erahnen.  Enden möchten wir mit einem, der zu den Freunden des Katholizismus gehört und der darum sozusagen den Publikumspreis verdient hat: Franz Werfel und hier sein Roman, den er dem Tod abgerungen hat: „Der Stern der Ungeborenen“ – Science Fiction vom Feinsten! – Nun aber eine Vorstellung der Werke auf knappstem Raum:

  1. Dante Alighieri (1265-1321), „La Divina Commedia (Die Göttliche Komödie)“: Mit seinem großen Epos ist Dante auf dem Olymp der Literatur angelangt – und das mit einem schonungslos christlichen Thema: Hölle, Fegfeuer und Himmel! Dabei verbindet er Bilder und Vorstellungen aus der antiken Bildungswelt mit einem christlichen Weltgebäude und tausend Anspielungen auf seine Zeit. Also unbestritten Nummer Eins unserer Liste!
  2. Alessandro Manzoni (1785-1873), Die Brautleute („I promesi sposi“, 1827): Noch ein Italiener, ganz so, wie wir den Katholizismus der Südländer lieben: warmherzig, menschlich, mit Sinn für die kleinen Leute, feurig und ganz dramatisch, aber niemals tragisch oder auch nur deutsch-romantisch tränendrüsig. Ein franziskanischer Roman par excellence um zwei Brautleute, die durch die bösen Machenschaften eines Conte getrennt werden, durch Intrigen, Pest und Aufstände gehen, aber mit Hilfe eines heiligmäßigen Kapuziners und mit noch mehr Hilfe der Vorsehung am Ende natürlich glücklich in de heiligen Ehestand treten.
  3. Joseph Malègue (1876-1940), Augustin ou le Maître est là (1933): So, nach den zwei Titeln der Weltliteratur nun einen dicken Schmöker, denn kaum jemand überhaupt einmal nennen gehört hat. Dabei ist der Entwicklungsroman eines angehenden Professors aus frommen Milieu, der durch die Kämpfe des Modernismus und der Bibelkritik geht, dabei aber den Glauben verliert, nur um schließlich… Für mich das Beste aus dem um Gutes wahrhaftig nicht verlegenen „Renouveau catholique“.
  4. Nicholas Wiseman (1802-1865), Fabiola. Die Kirche der Katakomben (1854): Ich weiß, gut katholische Literatur aus dem 19. Jahrhundert darf man heute nicht mehr lesen – ganz so, wie man bei Nazarenern und Neugotik nur noch die Nase rümpft. Wer nicht ganz so brav nachkonziliar erzogen ist, wird aber begeistert sein über dieses lebendige, spannende, ja streckenweise glutvolle Idealbild der Christenheit zur Zeit der Verfolgungen. Wenn man an die unglaublichen Christenverfolgungen heute denkt, ist das ja alles andere als antiquiert.
  5. Georges Bernanos (1888-1948), Tagebuch eines Landpfarrers („Journal d’un curé de campagne“, 1936): Zugegeben, Bernanos macht es seinen Lesern nicht immer leicht. Die Welt ist düster (wie sollte man 1936 anders schreiben können!) und der Glaube ein Ringen – und doch reißt er geradezu brutal die Diesseitigkeit, Verbürgerlichung und Entschärfung der Welt auf: Alles ist letztlich das große Drama zwischen Gott und der Seele eines Menschen, und der Priester steht mit seiner ganzen Armseligkeit mitten darin.
  6. François Mauriac (1885-1970), Das Natterngezücht („Le noed de vipères“, 1932): Der Nobelpreisträger von 1952 schreibt einfach spannender und psychologisch überzeugender als Bernanos. Die Lebensbilanz eines Anwalts auf dem Sterbebett, umgeben vom Hass und der Geldgier seiner Lieben, lässt den Atem anhalten, und der Schluss bringt zwar kein happy end, aber ein doch irgendwie versöhntes Ende.
  7. Sigrid Undset (1882-1949), Kristin Lavranstochter (1925-27)[12]: Zugegeben, Lust-Leser schlagen bei diesem Tipp aus dem Werk der norwegischen Konvertitin und Nobelpreisträgerin von 1928 die Hände über dem Kopf zusammen. Aber irgendwie haben es die Skandinaven doch auch geschafft, düstere Stimmung zum Goldstandard heutiger Krimis zu machen. Also, ab ins 13./14. Jahrhundert, an der Schwelle zwischen Heidentum und Christentum und, mit ausreichend Sitzfleisch gewappnet, auf zur Reise durch die Irrungen und Wirrungen der jungen Kristin.
  8. Evelyn Waugh (1903-1966), Wiedersehen mit Brideshead („Brideshead revisited“ 1945): Für mich die Synthese von „renouveau catholique“ mit britischem Genius. Schonungslos nimmt er die Leser mit auf den Stufen der Familie Flyte aus dem Glanz ins Elend, bis dann die Gnade sie alle doch noch erreicht. „Selig die Armen im Geiste…“
  9. *** (Diese Position lassen wir offen, damit die Liste nicht zu sehr nach Oberstufen-Curriculum aussieht!)
  10. [„Publikumspreis der ‚Freunde des Katholizismus‘“:] Franz Werfel (1890-1945), Der Stern der Ungeborenen (1946): Der Prager Jude Franz Werfel war zeitlebens ein Grenzgänger zwischen Judentum und Katholizismus und hat gerade so für mich Spitzentitel katholischer Literatur geschaffen. Ich bekenne mich als Fan von „Das Lied von Bernadette“. Aber am faszinierendsten, weil am prophetischsten ist für mich dieser „Reiseroman“ in die Welt, wie sie in 100.000 Jahren aussieht. Zuerst sprühend-heiter, ironisch, voller phantasievoller Einfälle, gegen Ende abgründig in seiner Parodie auf die Euthanasie.

Vielfalt der literarischen Genres – Bestseller-Liste 2: Andere Gattungen

  • Therese von Lisieux (1889)

    Autobiographie: Therese von Lisieux (1873-1897), Geschichte einer Seele

  • Kinder- und Jugendbuch: Comtesse Sophie de Ségur (1799-1874), L‘auberge de l‘ange gardien
  • Lyrik: Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848), Das Geistliche Jahr
  • Lied: Friedrich Spee (1591-1635), Trutz-Nachtigall
  • Kriminalroman: Gilbert Keith Chesterton, Erzählungen um Father Brown; Ralph MacInerny (1929-2010), Father Dowling-Mysteries
  • Lachgeschichten: Giovanni Guareschi (1908-1968), Il piccolo mondo de Don Camillo („Don Camillo und Peppone“) (1948)
  • Epos: John R. R. Tolkien (1892-1973), Der Herr der Ringe
  • Volkstümliche Literatur: Konrad Kümmel (1848-1936), An Gottes Hand [mehrere Bände ab 1900]
  • Katakombenroman: Anton de Waal (1837-1917), Katakomben-Bilder. 6 Erzählungen aus den ersten Jahrhunderten der römischen Kirche (1891)
  • Geistliches Drama: Franz Neumayr (1697-1765), Filius Prodigus

Die Vielfalt der Gattungen haben wir bereits angesprochen. Die zehn hier vorgeschlagenen Titel laden einfach zur Entdeckungsreise ein. Wie gesagt, katholische Literatur ist älter, reicher und vielfältiger als man denkt!


Anmerkungen:

[1] Leider weniger bekannt ist der die helleren, „franziskanischeren“ Seiten des Christentums beleuchtende Südfranzose Francis Jammes (1868-1938), Der Pfarrherr von Ozeran, und ders., Der Rosenkranzroman (u.a.). Der Nachkriegsexistenzialismus hat u.a. den Arbeiterpriesterroman von Gilbert Cesbron (1913-1979), Die Heiligen gehen durch die Hölle, hervorgebracht.

[2]Hierher gehören freilich auch Autoren mit katholischem Hintergrund, die eher als Teil der allgemeinen Literaturszene wahrgenommen werden, so etwa der amerikanische Konvertit Walker Percy (1916-1990) und David Lodge (* 1935).

[3]Unbedingt erwähnt werden muss das Schauspiel „Der Laden des Goldschmieds“, ein frühes Werk (1960) des späteren hl. Johannes Paul II. / Karol Józef Wojtyla („Przed sklepem jubilera“).

[4]Man kann hier an die Südtiroler Lyrikerin Hortense von Gelmini (* 1947), die Österreicherin Enrica von Handel-Mazzetti (1871-1955) sowie an die 2009 im Alter von 96 Jahren in Linz verstorbene bekannte und beliebte Schriftstellerin Gertrud Fussenegger erinnern, die seit den 30er Jahren in so unterschiedlichen Genres publizierte wie Roman, Erzählung, Kurzgeschichte, Gedicht, Kinderbuch und Naturbeschreibungen. Schön ihre Selbstbeschreibung von christlicher Literatur:

„Ich glaube, christliche Literatur ist vor allem eine Literatur, die das Transzendente ernst nimmt. … Aber man kann auch weltliche Bücher christlich lesen und in ihnen Derivate des Christlichen finden. Es war immer meine Sehnsucht und Freude, wenn ich solche Elemente auch in weltlicher Literatur entdeckt habe.“

[5]∙  Liber Cathemerinon (deutsch: Tageszeitenbuch) umfasst 12 in lyrischen Strophen verfasste Gedichte zu verschiedenen Tageszeiten und zu Kirchenfesten;

∙   Liber Peristephanon (deutsch: Märtyrerpreis) enthält 14 in lyrischen Strophen verfasste Gedichte auf spanische und römische Märtyrer;

∙   Apotheosis (deutsch: Vergöttlichung) – ein hexametrisches Lehrgedicht, es bekämpft Leugner der Dreifaltigkeit und der Gottheit Jesu;

∙   Hamartigenia (deutsch: Ursprung der Sünde) – ein weiteres hexametrisches Lehrgedicht (u.a. gegen Markion);

∙   Psychomachia (deutsch: Kampf der Seele) beschreibt in knapp 1000 Hexametern den Kampf des personifizierten Glaubens, vereint mit den sieben Kardinaltugenden, gegen die sieben Laster um die menschliche Seele;

∙   Dittochaeon (deutsch: Die doppelte Speisung) umfasst 49 vierzeilige Epigramme zu Bildern aus dem Alten und Neuen Testament.

[6]Zu den populärsten Genres der katholischen Literatur gehören traditionell die Hagiografie und Biografie bzw. der biografische oder historische Roman. Die Übergänge zwischen diesen Formen sind fließend.

[7]Sie steht im Kontext des „Münsterschen Kreises“, dem 1786 entstandenen Salon der Fürstin Amalie von Gallitzin mit Gästen wie Johann Georg Hamann und Friedrich Leopold zu Stolberg-Stolberg. Auch Clemens Brentano schrieb eine Reihe katholischer Werke, darunter Das bittere Leiden unsers Herrn Jesu Christi (1833) und Leben der heiligen Jungfrau Maria (1852, postum).

[8]Vgl. auch Alfred Döblin, Die Pilgerin Aetheria, 1949; Der Kampf mit dem Engel, 1952.

[9]Antonio Fogazzaro (1842-1911), Malombra, und ders., Der Heilige.

[10]Eine eigene Abhandlung wert wäre die erstaunlich virulente religiöse Frage bei Autoren, die sich nicht explizit christlich verstehen, so etwa Franz Kafka (1883-1924) und Robert Musil (1880–1942, u.a. auch in seinen Tagebüchern).

[11]Die Geschichte der christlichen Lyrik beginnt mit dem Neuen Testament. Cantica wie das Magnificat oder das Nunc dimittis (beide im Lukasevangelium) orientieren sich formal an den Psalmen der Hebräischen Bibel. Da die zeitgenössische griechische und lateinische Lyrik für die frühen Christen schwer zu ignorieren war, finden sich in den Texten von Dichtern wie Ausonius neben den christlichen Motiven immer wieder auch Anspielungen z. B. auf heidnische Gottheiten. In seiner Psychomachia, einem der bedeutendsten Werke der christlichen lateinischen Epik, verzichtet Prudentius zwar auf Bezüge zur griechischen Mythologie, verwendet aber weiter die überlieferten klassischen literarischen Formen. Venantius Fortunatus dagegen, dessen Gedichte in der Liturgie der römisch-katholischen Kirche noch heute verwendet werden, legte das griechische Versmaß ab und fand seine eigenen Formen.

[12]Vgl. auch Sigrid Undset (1882-1949), Olav Audunsson.

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