Weihnachtsmusik ist es nicht gerade, was im diesjährigen Weihnachtsrätsel gesucht ist. Eher schon etwas aus der Jugendszene, wie man in Anspielung auf ein sehr viel früheres Werk des gleichen Komponisten sagen könnte. Aber immerhin, ursprünglich hat er für unsere Sammlung kurzer Stücke von einem Weihnachtsalbum gesprochen. Der heutige Titel des Werkes ist in diesem Rätsel gesucht, aber er kam erst später auf Anraten des Verlegers zustande. Also keine Weihnachtsmusik, nicht einmal religiöse Musik, es sei denn, man will nicht im großen Streben nach einer künstlerischen Verzauberung der Welt, die ihm und seiner Zeit am Herzen lag, selbst schon etwas Religiöses erblicken. Und Familie, Häuslichkeit und Kinder entdeckte seine Zeit so recht als Hort einer höheren, reineren Welt in beinahe religiösen Tönen. Schaut man das Werk also religiös an, so wird man doch auch wieder fündig. Ziemlich am Anfang und ziemlich am Schluss erscheint ein Choral, in verschiedenem Schwierigkeitsgrad bearbeitet. Ganz zu schweigen von einem seiner populärsten Stücke daraus, das dann doch Eingang in manche Sammlung von Weihnachtsmusik gefunden hat. Ihre thematische Idee stammt aus dem Advents- und Weihnachtsbrauchtum, aber – vielleicht ein selbstironisches Indiz, dass allzuviel Gefühlsduselei der komplizierten Psyche des Komponisten eher auf den Geist ging – die Musik ist alles andere als sanfte Säuselei im milden Kerzenschein. Weiterlesen
Himmelbett und Höllenlärm
Wumm, wumm, wumm. Im Innenhof unten feierten sie Hochzeit, tief in der Nacht. Prominentenhochzeit im Hotel Holy Palace. Längst eine Party. Die Reflexe von Discokugeln warfen einen irren Rhythmus an die Decke seines Zimmers. Tat sich der Himmel auf, und das Jüngste Gericht war bereits in vollem Gange? Auf Erden unten verdoppelte sich jedenfalls alle zehn Minuten die Lautstärke. Nur dass nicht Posaunenengel schmetterten, sondern die Lautstärkeregler eines DJ’s hochgefahren waren, dazwischen kehlige und zischende Laute der gut hundert Gäste. Reden, sich unterhalten, freundlich scherzen, das war von diesem akustischen Inferno längst verschlungen worden. Seine Hand krampfte sich am Bettrand fest. Tu irgendetwas, egal was! Das Fenster schließen? Die dumpfen Bässe brachten auch dann noch Walter Hanselers Bett zum Beben, selbst über den Abstand von vier Stockwerken hinweg. Außerdem wurde die Zimmerluft in dieser römischen Spätsommernacht dann zur stickigen Bleilast. Zerschlagen und müde nach der Anreise heute Nachmittag, hatte er sich erst einmal nur aufs Bett gefreut. Doch wie sich bei diesem Höllenlärm entspannen, wie wegdämmern? In seiner Verzweiflung hatte er schon zweimal kalt geduscht. Das wirkte immer nur für Minuten, dann trat ihm schon wieder der Schweiß aus den Poren. Die Klimaanlage? Sie war ein Witz. Egal wie man am Regler drehte, sie lief immer auf Minimum.
Traumurlaub? Albtraumnacht? Mit diesen Sätzen beginnt mein neuer Krimi „Holy Palace“. Er spielt in und rund um ein Hotel mit dem vielsagenden Namen „Holy Palace“. Ihn verdankt es seiner Vorgeschichte als Zentrale einer großen katholischen Laienbewegung. Walter Hanseler, ehemaliger Priester und ordentlich an den Flügeln gestutzer Germaniker, Selbstzweifler und Detektiv wider Willen, hat sich für eine Woche hier einquartiert. Weil der Höllenlärm ihn nicht schlafen lässt, will er sich an der Rezeption beschweren. Seinen Groll wird er dort nicht los, dafür stolpert er auf dem Flur über einen zu Boden gestürzten Priester. Hat er auf der Hochzeitsfeier viel zu viel getrunken? Braucht er Hilfe? Nein, er will sich selbst bis in seine Wohnung schleppen. Aber die Beichte abnehmen, das muss ihm dieser Deutsche. Und dann sagt er nur ein Wort: „Grazia“. Anderntags stellt sich heraus, er ist noch in dieser Nacht gestorben. Rätsel über Rätsel türmen sich auf, bald kommen auch Lügen und Geheimnisse ans Tageslicht, und ehe Walter es sich versieht, deckt er manches Unheilige hinter der heiligen Fassade auf. Bis er am Ende aber in einer Art Predigt in der Kirche Santa Susanna vor Dutzenden von Beteiligten und Verdächtigen die Wahrheit ans Licht bringt, stolpert er noch über manche ganz römische Typen: eine kluge, aber von Ängsten verfolgte Migrantin aus Äthiopien, einen amerikanischen Alles-Könner im Dienst des Kleruskongregation, eine unverwechselbare Kaffeebar, Treffpunkt für ganz normale Römer, eine heiligmäßige Assistentin der Laienbewegung mit verschlossenen Lippen und viele andere. Walter begibt sich an Highlights der Stadt wie den Kapitolsplatz ebenso wie an kuriose Orte, etwa das „Museum der armen Seelen“. Alle Orte sprechen zu ihm und bringen ihn der Lösung des Falls näher und näher…
Der römische Krimi Holy Palace wird ab 5. Juli in den Buchhandel ausgeliefert.
Sören Kierkegaard
Sören Kierkegaard, Einübung im Christentum und anderes. Hg. von Walter Rest, München 1977
Wenn Christen heute von Jesus Christus sprechen, dann tun sie dies wie von selbst meistens in der Vergangenheitsform: „Jesus hat sich für die Armen eingesetzt. Er lebte ganz für andere.“ Ebenso hat die heutige Theologie diesen Ursprung konsequent historisiert. Die Geschehnisse des Neuen Testaments sind Ereignisse, die 2000 Jahre zurückliegen und die man mit viel Scharfsinn der Leben-Jesu- und Urchristentumsforschung einigermaßen zu rekonstruieren versucht. Doch am Ende erscheint der Anfang oft nur umso mehr fern und fremd. Weiterlesen
Joseph Ratzinger, Wendezeit für Europa?
Joseph Ratzinger, Wendezeit für Europa? Diagnosen und Prognosen zur Lage von Kirche und Welt, Einsiedeln-Freiburg i.Br. 1991
Zugang zum Denken großer Geister erhält man am besten durch die Hintertür, d. h. durch Gelegenheitsschriften, Gedankenskizzen und anlassbedingte Reden. So sind wohl die beste Einführung in Freuds Psychoanalyse dessen „Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse“, die er für gebildete Laien mit leichter Hand und ohne allen fachlichen Ballast vorgetragen hat.[1] Joseph Ratzinger ist ein großer Theologe, aber durchaus auch ein politischer Denker, ja ein Prophet, der hellsichtig Spreu vom Weizen trennt und die Welt auf ihre letzten Gründe zu durchschauen sucht. Der vorliegende Band, eine Sammlung von sechs Reden und Aufsätzen aus den Jahren rund um die Wende 1988-1991, stellt eine solche Hintertür dar. Leicht fasslich und mit jener suggestiven Kraft der Rede, die bis heute eine treue Schar von Ratzinger-Jüngern versammelt, legt er seine großen Themen zwischen Kirche und Welt dar:
- Glaube und Unglaube als das eigentliche Drama unserer Zeit,
- Relativismus, ja Nihilismus als Frucht des Unglaubens auch in der Kirche,
- vielfältige Ersatzreligionen wie Fortschrittsglaube, marxistische, materialistische und christlich verbrämte Hoffnungen auf das irdische Paradies,
- Nationalismus als Leugnung der katholischen Einheit,
- die letzte Bindung der Werte an Gott und damit der menschlichen Willkür entzogen und
- die Begründung des Rechtes in einer überzeitlichen, allgemeingültigen, in der Schöpfungsordnung gründenden Gerechtigkeit.
Weihnachtsrätsel 2020
Corona hält uns im Bann. Langer Atem ist erforderlich. Um nicht ganz von der Situation beherrscht zu werden, gibt es viele Gegenmittel. Eines davon ist der Blick in die Geschichte. Zu einem solchen Befreiungsschlag in andere Zeiten möchte auch das Weihnachtsrätsel 2020 einladen, und zwar in eine richtige Ferne, also nicht ins 21. Jahrhundert und auch nicht ins 20. Jahrhundert. Dabei schlägt es eine richtige Schocktherapie vor, natürlich nur durch einen gedanklichen Ausflug in eine Epoche, da eine Seuche in unvorstellbarer Heftigkeit Jung und Alt in vielen Ländern hinwegraffte und ihre Wellen ein halbes Jahrhundert umfassten. Da mussten die Menschen doch verrückt werden, oder? Krisen bringen an den Tag, was im Menschen steckt, und das ist leider nicht nur reine Menschlichkeit und Güte, damals wie heute. Weiterlesen