,

Osterrätsel 2019 – die Auflösung

Gesucht im Osterrätsel 2019 war der Name

König Abgar V. von Osrhoene in Edessa (Ostsyrien).

Er trug auch den Namen Ukkama bzw. „der Schwarze“. Mit den ersten beiden Buchstaben „Ab…“ findet er sich in den alphabetisch angeordneten Lexika tatsächlich schon auf den ersten Seiten. Er regierte Edessa (heute in der südöstlichen Türkei kurz vor der Grenze zu Syrien) von 4 bis 7 und 13 bis 50 n. Chr. und entstammte dem Herrscherhaus der Abgariden. Mit ihm betreten wir auch die legendenumwobenen Anfänge des Christentums in Ostsyrien, einer Region, die ein Schmelztiegel der Kulturen und Religionen war und die in späteren Jahrhunderten eine blühende theologische Schule aufweisen kann und zu der so gegensätzliche Namen wie Bardesanes und Ephräm der Syrer zählen. Ein späterer Spross dieses Königshauses der Abgariden war gleich zu Anfang des Rätsels angesprochen, Abgar VIII. der Große, der 179 (176)-212 (214) herrschte, in Rom Papst Eleutherius getroffen haben soll (Liber pontificalis 1,17), gegen heidnischen Aberglauben vorging, ein enger Freund des christlichen Religionsphilosophen Bardesanes (154-222) war und von dem Eusebius berichtet, er habe sich zum christlichen Glauben bekehrt (Chron. ad ann. 218) – wohl unter dem Einfluss seines Freundes. Dieser Abgar wäre dann der erste christliche König und sein Reich das erste christliche- doch Letzteres ist umstritten.[1]

Abgar V. und der Briefwechsel mit Jesus

In unserem Rätsel fragten wir aber nach Abgar V. und nicht Abgar VIII., also nach dem König zu den irdischen Lebzeiten Jesu, von dem der berühmte Briefwechsel mit dem Heiland überliefert ist – allerdings auch dies stark legendarisch (schon Papst Gelasius wies die Echtheit eines solchen Briefwechsels auf einer Synode 495 zurück) und wohl Teil des Bemühens, dem in Glauben und Kultur blühenden Edessa apostolische Ursprünge und einzigartige Bedeutung zu verleihen und es gegen den Manichäismus im 3. Jahrhundert und heterodoxe Richtungen zu verteidigen. Edessa war ja ein Schmelztiegel religiöser Richtungen, und so fanden sich neben orthodoxem Christentum auch gnostische und eben manichäische Richtungen.[2]

Der historische Kern der Überlieferung dürfte in der sehr frühen christlichen Mission von Antiochia und Palästina aus (nach anderen: vom Osten her durch die jüdischen Gemeinden von Adiabene) zu suchen sein. Eines der frühesten Zeugnisse für ein dortiges Christentum ist die berühmte Aberkiosinschrift aus dem 2. Jahrhundert, die von einem bereits konsolidierten Christentum in Syrien berichtet.

Kopie des Mandylions von Edessa aus der Mathilden-Kapelle der Päpste (gezeigt auf der Expo 2000 in Hannover)

Die Quellen

Immerhin sind die Quellen zur Legende alt, doch man kann von Quelle zu Quelle ein Anwachsen der Überlieferung feststellen:

  • Wiederum Eusebius von Caesarea (im Rätsel „einer der bedeutendsten Kirchengeschichtler“) hat in seiner „Kirchengeschichte“ (h. e. 1,13; 2,1,6f.) berichtet, im Archiv von Edessa sei dieser Briefwechsel Abgars mit Jesus aufbewahrt. Danach erbat Abgar von Jesus brieflich Heilung und erhielt zur Antwort, dass nach der Himmelfahrt Christi einer seiner Jünger nach Edessa kommen werde. Dies war dann auch tatsächlich Addai (Thaddäus), einer der 70 Jünger Jesu, der am König seine Heilungsmacht erwies, die ihm der Herr übertragen hatte (h. e. 1,11-21; 2,1,6f.).
  • Die berühmte Pilgerin des Rätsels ist die unermüdlich reisende Egeria (Peregrinatio Aetheriae 19; ähnlich Prokop, Pers. 2,12). Etwa 384/385 bekam sie nach ihrem Bericht vom Bischof von Edessa die Briefe gezeigt, von denen Kopien in ihrer Heimat Aquitanien oder Galizien bekannt waren. Ihre Fassung der Dinge nimmt eine Mittelstellung zwischen der Notiz des Eusebius und den späteren, ausgebauteren Formen ein.
  • Sehr viel breiter entwickelt ist die Überlieferung in der „Doctrina Addai“ (um 400). Sie sammelt mehrere Motive, und zwar neben dem wahren Christusbild und dem Brief Christi (der als Schutz gegen Feinde und Schaden gebraucht wird und die Stadt unbesiegbar machen sollte – bei der Belagerung der Stadt durch die Perser 540 wurde es über dem Stadttor angebracht) auch den Segen Jesu über Edessa, die Auffindung des Kreuzes durch Protonike, den Bau einer Kirche und den Aufbau einer kirchlichen Hierarchie und Liturgie. – Griechisch finden wir den Bericht über diese Vorgänge in den apokryphen „Akten des hl. Apostels Thaddäus“ (vielleicht nach 544 entstanden).
  • Addai hat nach der Überlieferung zwei Schüler, Aggai und Mari, mit denen zusammen er auch das Gebiet der Parther missioniert habe, zum Patron Persiens wurde und erster Bischof von Seleukia-Ktesiphon gewesen sein solle. Aggai und Mari wird übrigens auch ein Hochgebet der nestorianischen Liturgie zugeschrieben, von dem allerdings keine Wandlungsworte überliefert sind, was vor einigen Jahren zu einer interessanten Diskussion um die Anerkennung dieser Liturgie seitens der katholischen Kirche geführt hat.

Edessa und das Bild Jesu

Edessa war das wichtigste Zentrum der syrisch-christlichen Kultur und war maßgeblich beteiligt an der Entwicklung dieser dritten großen Sprache des Christentums (neben Griechisch und Latein). Im christlichen Edessa entwickelte sich das dort ursprüngliche Altsyrisch in das klassische Syrisch als der Sprache der Christen in Syrien und Mesopotamien.[3]

Die Vorstellung vom wahren Bild Jesu aber hatte noch eine große weitere Geschichte in Byzanz und ermutigte dort sehr die Bilderverehrung und den Kampf gegen die Bilderfeinde (Ikonoklasten); Johannes von Damaskus erwähnt dieses Bild Jesu als Argument. Kaiser Konstantin VII. ließ am 15.8.944 das Bild Jesu, das „Manylion“, nach Konstantinopel bringen, doch scheint es nach der Einnahme der Hauptstadt durch die Kreuzfahrer 1204 verlorengegangen zu sein. Man sieht, ein ebenso interessantes, ja teilweise abenteuerliches Feld der Missions-, Kirchen- und Spiritualitätsgeschichte mit großen Auswirkungen auf die kirchliche Bilderverehrung und Ikonenkunst.

Verlosung

Die Verlosung der drei Preise unter den zahlreichen vollständigen und richtigen Einsendungen – meine Erzählung „Der Einbruch“ – hat am 24. April 2019 stattgefunden, die drei Gewinner sind ermittelt und werden benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Auch wer dieses Mal nicht gewonnen hat, darf sich bereits auf das Sommerrätsel 2019 freuen. Hier noch die Fotostrecke der Verlosung mit der Glücksfee Valentina:

This slideshow requires JavaScript.


[1] Vgl. hauptsächlich mit numismatischer Evidenz W. Baum, König Abgar bar Manu (ca. 177-212) und die Frage nach dem „christlichen“ Staat Edessa, in: Der christliche Orient und seine Umwelt. Gesammelte Studien zu Ehren Jürgen Tubachs anläßlich seines 60. Geburtstags. Hg. von S. G. Vashalomidze / L. Greisiger, Wiesbaden 2007, 99-116. Seine Schlussfolgerung bleibt offen: „Die Behauptung: ‚Es gab nie christliche Könige in Edessa‘, muss offen bleiben; Abgar (VIII.) scheint zumindest den Eindruck erweckt zu haben, dem Christentum gegenüber offen zu sein. Allerdings lässt es sich nicht mit Sicherheit nachweisen, ob je ein König von Edessa Christ war! Weder Münzen, noch Inschriften oder zeitgenössische Quellen lassen einen derartigen Schluss zu. Es müssen daher auch die Behauptungen eines ‚christlichen Staates‘ Edessa zurückgewiesen werden“ (ebd. 106f.).

[2] Der Kölner Mani-Codex belegt etwa, dass Mani selbst einen Brief an die Gemeinde von Edessa geschrieben hat. Er hatte auch einen Schüler namens Adda – ob da wohl ein Zusammenhang mit Addai besteht?

[3] Vgl. H. Gzella, The Syriac Language in the Context of the Semitic Languages, in: D. King (Hg.), The Syriac World, London und New York 2019, 205-221, bes. 214-217; ders., A Cultural History of Aramaic. From the Beginnings to the Advent of Islam (= Handbuch der Orientalistik I/111), Leiden 2015, 366-379.

0 replies

Leave a Reply

Want to join the discussion?
Feel free to contribute!

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *