„Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr.“ Das Sprichwort bringt es auf den Punkt: Vater sein lernt man erst nach und nach – eben durch‘s Vater sein. Kinder zu haben, für sie verantwortlich zu sein, sie zu ernähren, zu beschützen, zu erziehen, zu stärken und sie schließlich ins Leben zu entlassen, kurz: aus Kindern Erwachsene werden zu lassen, das kann niemand einfach so, das muss man lernen. Und doch, ein Vater ist unersetzlich, nicht weniger als die Mutter. (Umso mehr darf man Familien bewundern, die es auch ohne Vater irgendwie schaffen. Überhaupt, was wir jetzt auf Vater und Mutter verteilen, ist in Wirklichkeit immer auch eine gemeinsame Aufgabe und kein „battle of the sexes“!) Was aber macht den Vater unersetzlich? Und setzen wir noch eins drauf: Die Kirche ist die Familie Gottes. Auch in ihr gibt es Väter: die Priester. „Father“, „padre“, „père“ heißt er darum in vielen Sprachen. Doch wie sind sie Väter? Schauen wir zunächst auf die leibliche Vaterschaft. An ihr lässt sich einiges ablesen.

„Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr.“ Ein Kind ist zur Welt gekommen. Nun ist es nach überstandener Geburt in den Armen der Mutter geborgen. Das Bild braucht keine Worte mehr. Eine Mutter ist wahrhaftig Eva: Sie ist „Mutter alles Lebendigen“, ja sie verkörpert das Leben, das Geschenk des Lebens. (Das ist ja übrigens auch ein Grund, warum wir so entschieden gegen Abtreibung sind: Leben schenken, Leben behüten und Leben wachsen lassen, das ist so tief in der Natur jeder Frau angelegt, gleich ob sie tatsächlich Mutter ist oder nicht, dass ein so radikales Nein zum Leben ein Nein zu ihr selbst ist. Sie zerreißt sich selbst – und der Mann, der sie dazu drängt, nicht weniger! – und gleichzeitig verstopft sie die sprudelnde Quelle, aus der wir alle leben.) „Mutter alles Lebendigen“ also – wenn die Mutter den Säugling an die Wange drückt, warmes Leben an warmem Leben, dann braucht es keine Worte mehr, die zwei sind eins: die Mutter ganz für ihr Kind und das Kind ganz für die Mutter.

Und der Vater? Scheinbar hat er es leichter beim Vater-Werden: keine Strapazen der Schwangerschaft, keine Gefahren der Geburt, keine Hormon-Tsunamis. Ein, zwei Tage hat er frei, dann geht er wieder seiner Arbeit nach. Und doch, genau das macht es ihm auch schwerer, in seine neue Aufgabe hineinzuwachsen: „Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr.“ Er tritt zu Mutter und Kind hinzu, überwältigt und gleichzeitig ein wenig verlegen. Denn das Geheimnis zwischen den beiden, die Gabe, das Kind neun Monate lang unter dem Herzen auszutragen, es zu gebären, ihm Leben zu schenken und ihm Mutter und erste Ernährerin zu sein, die kann er niemals nachahmen, vielleicht sogar nie wirklich von innen her begreifen. Ein Vater kann nicht Mutter sein. (Und da haben wir auch den Grund dafür, dass wir auch die Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare ablehnen.) Darum wird der Mann seine Frau und die Mutter seiner Kinder immer ehren und sie in ihrer Weiblichkeit hochhalten – gerade auch da, wo es ihr „nach Frauenart“ ergeht und er besondere Rücksicht nehmen muss. Eines kann er selber und er soll es: Vater werden – und das ist schwer. Es geschieht auf drei Schritten.

„Ich gebe dir ein Zuhause“

Der erste Schritt: Die Mutter reicht ihm sein Kind und er nimmt es an. Er schließt es in seine kräftigen Arme. Das ist nun nicht mehr vor allem Wärme, Nähe, Leben. Das ist Kraft, Schutz, Heimat: „Ich gebe dir ein Zuhause. Ich ernähre dich. Ich sorge für dich vor. Ich passe auf dich auf. Hier in meinem Haus kannst du aufwachsen.“ Im alten Rom war dieser Akt der Annahme geradezu dramatisch. Das Neugeborene wurde auf den nackten Boden gelegt, der Vater schaute es an und nahm es dann an. Dadurch erst war das Kind in die Familie aufgenommen. Nun, das war Heidentum und darum immer auch mit einem Zug ins Grausame. Als Christen halten wir dagegen: Das Kind hat bereits einen Vater, den im Himmel. Dieser Vater hat es schon angenommen, hat es beim Namen gerufen, hat gesagt: „Du bist mein.“ Der leibliche Vater hat kein Recht und keine Macht, sein Kind zu verstoßen. Rabenväter sind keine Väter. Alle Vaterschaft geht vom himmlischen Vater aus. Er vertraut das Kind dem leiblichen Vater an und verlangt von ihm Rechenschaft, ob er ihm auch wirklich mit all seinen Kräften Vater war. Denn wehe, wenn er einem von diesen Kleinen Anstoß gäbe! Ein Zuhause geben, das verlangt nun vom Vater Schaffenskraft, Arbeit, Fleiß, Sparsamkeit und natürlich auch den Freiraum, selbst wirken zu können und nicht am Gängelband zu sein.

Auch der Priester ist Vater in der geistlichen Familie Gottes, der Kirche. Dahinein werden wir geboren durch die Taufe, das Bad der Wiedergeburt. Darin sind wir alle Brüder und Schwestern, Kinder des himmlischen Vaters. Wer mich sieht, sieht den Vater, sagt Jesus von sich selbst. Doch dieses Wort soll auch von dem gelten, der „in der Person Christi“ das Priesteramt verwaltet.

  • Mit Hilfe der Priester schenkt Gott uns ein Zuhause: die eigene Kirche.
  • Er ernährt uns durch sein Wort und die Sakramente, denn das Leben der Gnade ist nicht biologisch, sondern übernatürlich.
  • Er schützt uns, indem er vor dem Bösen warnt und den klaren Weg zeigt.
  • Er passt auf uns auf und leitet uns – darum brauchen wir echte Seelsorge: fest und sicher, liebevoll und stark.

Um nicht missverstanden zu werden: 1. Der Priester ist nicht Christus, sondern sein Diener, ja sein Sklave, wie Paulus es ausdrückt. Darum sind Machtgehabe und Klerikalismus, inflationäre Persönlichkeit und Willkür, Hemmungslosigkeit und Unbeherrschtheit seiner unwürdig und verkehren sein Amt in das Gegenteil. Hat er in seine Gewissenserforschung eingeschlossen, wie viel Schaden er dadurch anrichten kann? 2. Viele haben sich jetzt vielleicht schon gefragt: Wo ist dann, geistlich gesehen, die „Mutter alles Lebendigen“? Der Priester ist es jedenfalls nicht! Sondern – die Kirche. Sie ist der Mutter der Gläubigen. Das ist ganz wichtig: Der Priester mag die Rahmenbedingungen schaffen, aber das eigentliche Leben der Gnade hat er nicht in der Hand. Trifft etwa seine Predigt mitten ins Herz wie bei Petrus am Pfingsttag oder geht sie zu einem Ohr hinein und zum anderen wieder hinaus? Darum soll er die Kirche lieben, achten und ehren. Zugleich soll er demütig bleiben: „Ich selbst bringe kein Leben der Gnade hervor.“ Seine noch so gut gemeinten Ideen und Initiativen, seine Worte und Katechesen, sie werden nur fruchtbar, wenn der Heilige Geist „weht, wo er will“. Darum ist vom Priester immer auch ein tiefer Respekt, ja eine Ehrfurcht vor dem verlangt, was der Heilige Geist im Innersten eines Menschen wirkt. (Darum sind ja auch alle Formen von Übergriffen, Grenzverletzungen oder gar Missbrauch bei ihm so verwerflich.)

Allmächtiger, ewiger Gott,dein Sohn ist der Kirche siegreich vorausgegangen als der Gute Hirt.Geleite auch die Herde,für die er sein Leben dahingab,aus aller Not zur ewigen Freude (Tagesgebet am Gut-Hirte-Sonntag)

„Ich zeige dir die Welt und ihre Ordnung“

Der nächste Schritt: Der Vater ist der Dritte im Bunde, er öffnet die traute Zweisamkeit von Mutter und Kind, er verkörpert die Welt und ihre Ordnung und vertritt ihre Ansprüche, Maßstäbe und Regeln, er führt letztlich hin zur Unterscheidung von Gut und Böse. Wir kennen das: Das Kind hat sich weh getan, es heult aus Leibeskräften und rennt zur Mama. Die schließt es in die Arme, streichelt es, beruhigt es und flüstert ihm ins Ohr: „Es ist doch alles wieder gut.“ Und der Vater? Wenn die Tränen getrocknet sind, sagt er dem Kind: „So, jetzt setz dich mal hin, wir müssen reden.“ Vielleicht ist das Kind freihändig Fahrrad gefahren, ist dabei leichtsinnig geworden und hat das große Schlagloch in der Fahrbahn übersehen. Also selbst schuld! Das darf er jetzt nicht zukleistern: „Oh, das böse, böse Loch in der Straße!“ Nein, ruhig und bestimmt wird er seinem Sprössling klarmachen: „Du musst lernen, erst einmal zu schauen, wohin du fährst, und darfst nicht einfach drauflosbrausen!“ Augen auf für die Welt und nicht bloß die Augen selig schließen in den Armen der Mutter – dieser Beitrag des Vaters ist genauso wichtig. Die Mutter kann ihr Kind ja nicht immer an sich binden, ihm alle Sorge abnehmen. Es muss lernen, für sich selber zu sorgen, verantwortlich zu werden, sich an Maßstäben zu orientieren und sich einzuordnen.

Die Welt Gottes und ihre Ordnung zu verkörpern, ihre Ansprüche, Maßstäbe und Regeln zu lehren und zu vertreten, ob gelegen oder ungelegen, manchmal geradezu unerbittlich allen schönen Schein zu durchbrechen und die Leute mit moralischen Maßstäben zu konfrontieren: Was ist hier gut und was böse?, wem ist diese Aufgabe mehr übertragen als dem Priester? Er bringt den Blick für das größere Ganze, das Objektive, die Vorgaben, die Glaubenslehre, die Zehn Gebote, das Kirchenrecht und die liturgische Ordnung. Auch Jesus blickt weiter: Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muss ich führen, und sie werden auf meine Stimme hören. Doch gerade bei dieser Aufgabe ist der Priester am meisten angefochten. Man sagt: Ist nicht Gott barmherzig wie eine Mutter? Lässt er gar alles durchgehen? Ist nicht jeder Mensch ein Einzelfall und allgemeine Maßstäbe hart und grausam? „Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit ist die Mutter der Auflösung“, hält Thomas von Aquin prägnant dagegen, als wäre er ein Prophet für unsere Zeit. Gerechtigkeit, also jedem das Seine zu geben, das verlangt den Blick für jeden Einzelnen, aber eben im Blick auf seine Entwicklungsaufgabe. Doch sich weiterentwickeln auf Gott und seine Weisung hin, das ist nicht immer in. Lieber soll der Priester alles schön machen, aber ansonsten die Leute auch machen lassen, was sie wollen. Weichgespült, soft, am liebsten noch allzeit mit lieblichem Lächeln. Nur, das sind keine Männer mehr, sondern Memmen.

„Ich lasse dich wachsen und erwachsen werden“

Der dritte Schritt: Der Vater begleitet das Kind hinaus ins Leben. Er fördert und fordert. Er hilft zu wachsen, erwachsen zu werden. Wie oft ist das so: Ein junger Mensch macht große Pläne, will in die Welt hinausziehen, ist auf Abenteuer aus. Der Mutter fällt der Abschied schwer. Das Kind soll auf eigenen Füßen stehen? Eben erst hat sie es doch in den eigenen Armen gewiegt. Da steht der Vater . Er soll selbst das Leben kennen. Mit seiner Kenntnis und Lebenserfahrung kann er nun den Jungen helfen, der Welt auch gewachsen zu sein. Er weiß, dafür braucht der junge Mensch Leistung und Tugend, aber auch Klugheit und die rechte Mischung aus Wagemut und Vorsicht. So steckt er ihm Ziele, trainiert mit ihm, hilft, aber wäscht auch einmal den Kopf, wenn er mit dem Kopf durch die Wand will.

Für den Apostel Paulus ist es eine der wichtigsten Aufgaben des Seelsorgers zu helfen, dass die Kinder Gottes von der Milch zur festen Speise übergehen. Sie sollen groß und stark werden. Sie sind berufen zur Heiligkeit und nicht zur Lauheit. Sie sollen über sich selbst hinauswachsen und nicht bloß ihre religiösen Bedürfnisse befriedigen. Sie sollen Verantwortung übernehmen können für die Kirche und keine bloßen Trittbrettfahrer bleiben. Doch das bloß mit Worten beschwören ist nichts. Der Priester muss den Willen zu Wachstum und Selbstüberschreitung vorleben. Nur so wird er Christus, dem guten Hirten, ähnlich:  Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe. – Ich gebe mein Leben hin für die Schafe. – Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen. Darum muss er zuerst und vor allem ein Asket sein. Er darf sich nicht von den eigenen Bedürfnissen bestimmen lassen, sondern er soll selbstbeherrscht werden. (Das ist übrigens auch ein Grund, warum die katholische Kirche nur Zölibatäre zu Priestern weiht.) Ein launischer, behäbiger oder genüsslicher Priester dagegen – nein, er wird immer bestechlich sein, und sei es einfach, dass er dann stets den Weg des geringsten Widerstandes geht: „Ich will eben meine Ruhe!“ Wehe, wenn er dann aber die Worte Jesu hört: Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, lässt die Schafe im Stich und flieht, wenn er den Wolf kommen sieht; und der Wolf reißt sie und jagt sie auseinander. Er flieht, weil er nur ein bezahlter Knecht ist und ihm an den Schafen nichts liegt.[Dieser Text kann auf Anfrage bei andreas.wollbold@lmu.de mit Nennung des Autorennamens „Andreas Wollbold“ auch in Pfarrbriefen, in Kirchenzeitungen oder auf Flyern o.ä. abgedruckt werden. Gerne kann er auch als Anregung für Predigten, Vorträge usw. dienen.]

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