Lehramt und Homosexualität [Text als pdf]

Homosexualität ist ein sensibles Thema. Für die Betroffenen verbindet es sich oft mit einem jahrelangen Suchen, nicht selten auch mit Verletzungen und Verletzen. Da kommen eigene Veranlagungen, sexuell prägende Erfahrungen vielleicht schon in der Jugend ebenso wie Reaktionen der Umwelt zusammen. Zunehmend haben gesellschaftliche Einstellungen und Stimmungen, Trends und Themen aus den sozialen Medien Einfluss und prägen Wertvorstellungen. Was ist in Ordnung und was nicht, das Urteil darüber ist ein ganz persönliches, aber es ist oft das Ergebnis von vielen Faktoren, die den Einzelnen nur teilweise bewusst sind. Daraus entstehen Lebenswege, die nicht selten alles andere als gradlinig sind. Viele erleben auch, dass sie niemals ganz in bestimmte Raster passen, die ihnen sozial vorgegeben werden, und sie suchen nach einer Orientierung, die ihnen wirklich weiterhilft. Hinter klaren Ansichten kann sich eine fragile, verletzliche Persönlichkeit verbergen.

Dass nun eine wirklich weiterhelfende Orientierung ausgerechnet von der katholischen Kirche kommen könnte, wird von vielen Seiten vehement abgestritten – so sehr, dass man schon deshalb vermuten darf: An der Haltung der Kirche muss doch mehr daran sein, als die veröffentlichte Meinung zulässt! Denn es sind oft nur Zerrbilder der katholischen Position, die verworfen werden, ohne diese überhaupt wirklich zu kennen. Deshalb sollen hier Grundlinien dieser Lehre aus den Originaltexten des Lehramtes vorgestellt werden. Bei einer so hochpersönlichen Sache wie dem Umgang mit der eigenen Sexualität ist ohnehin immer jeder einzelne im Gewissen gefragt. Einfach nur herrschenden Meinungen oder dem leichteren Weg zu folgen, genügt da nicht.

Was sind die hauptsächlichen Vorwürfe gegen die katholische Lehre zur Homosexualität und was sagt diese selbst dazu?

  1. Das, was zur sexuellen Identität eines Menschen gehört, wird als Sünde abgestempelt.
  2. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse zum Ursprung einer homosexuellen Orientierung werden verkannt.
  3. Die heutige Lebenswirklichkeit zusammen mit der antidiskriminatorischen Gesetzgebung wird ignoriert.
  4. Der vorgeschlagene Weg der Keuschheit erscheint unrealistisch und lebensfern.

Jeder dieser Vorwürfe verkennt aber die kirchliche Lehre in entscheidenden Punkten. Vorweg darum ganz knapp die Korrektur:

  1. Sündig ist nach ihr nur eine entsprechende sexuelle Praxis, nicht die Veranlagung. Identität hat ein Christ als Bild Gottes und nicht aufgrund bestimmter leiblich-affektiver Prägungen. „Bei Gott gibt es kein Ansehen der Person“ (vgl. Röm 2,11).
  2. Die Berufung auf angebliche wissenschaftlich unumstößliche Erkenntnisse gehört heutzutage zur Munition jeder politischen Debatte – „Wissenschaft“ als Waffe. Dabei wird die Begrenztheit, Bedingtheit und Offenheit wissenschaftlicher Theoriebildung meist unterschlagen, und aus Schein-Rationalität wird Ideologie. Das gilt allerdings für alle Seiten.
  3. Christsein beginnt mit der Umkehr, dem Umdenken (meta-noia), also dem Ausstieg aus den herrschenden Plausibilitäten. Christliche Moral lebt deshalb von der Spannung des Guten und Rechten zum Faktischen und zum scheinbar Unumstößlichen. Im Herzen enthält sie immer auch die Provokation des Kreuzes.
  4. Sex muss nicht sein, und darauf zu verzichten fällt in der Regel gar nicht einmal schwer, wenn man den Verzicht in eine klare, entschiedene und integrierte Lebenshaltung hineinstellt.

Es gibt zwei Grunddokumente zur Frage (1. Erklärung „Persona humana“ von 1975 und 2. „Schreiben über die Seelsorge“ von 1986 in Abschnitt A) sowie eine ganze Reihe von weiteren lehramtlichen Texten (Abschnitt B):

  • Letztere bieten entweder prägnante Zusammenfassungen der Lehre;
  • sie vertiefen die Lehre und setzen neue Akzente;
  • sie wenden die Lehre in einzelnen Aspekten an, so zu Gesetzesentwürfen, zur Zulassung in das Seminar oder zur Weihe und zu Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare.

    Alle Fotos: M. Schulze

A. Zwei Grunddokumente

Vgl. Congregazione per la Dottrina della Fede, Cura pastorale delle persone omosessuali. Lettera e commenti (= Documenti e Studi 11), Città del Vaticano 1995.

1. Kongregation für die Glaubenslehre, Persona Humana. Erklärung zu einigen Fragen der Sexualethik (29. Dezember 1975)

Declaratio de quibusdam quaestionibus ad sexualem ethicam spectantibus, in: AAS 68 (1976) 77-96 (lat.); Documenta 27 (lat.); OR 16.1.1976, 1-2 [lat./ital.]; CEE 62-95 [lat./span.]; Communicationes 8 (1976) 8-22; EV 5, 1126-1157; LE 4423; Dokumenty, I, 27

Diese umfangreiche Erklärung ist ein Grunddokument der katholischen Sexualmoral. Sie geht von ihrer Erneuerung im Gefolge des II. Vaticanums aus und will die Sexualität hin zu einer Beziehung der Liebe und Hingabe von Mann und Frau kultivieren – deshalb auch der Titel „Persona humana“. Sie lässt dazu gewisse Einseitigkeiten früherer Zeiten hinter sich und sieht die Moral im Dienst an einer leiblichen, affektiven und geistig-personalen Reifung des Menschen in einer liebenden, treuen, für Nachkommenschaft offenen Beziehung. Die Gutheit der Schöpfungsgabe der Geschlechtlichkeit wird gewürdigt, aber auch ihre Gefährdungen. Diese kommen von innen – ungeordnete Leidenschaft, bloße Sinnlichkeit, Bindungslosigkeit usw. – ebenso wie von außen – „Sittenverfall“ (1) durch die „sexuelle Revolution der 68er – und werden klar benannt. Die kulturellen Umbrüche verlangen von der Kirche und ihren Hirten eine besondere Aufmerksamkeit und Wachsamkeit (2). (3) bis (6) formulieren die Prinzipien einer erneuerten, an der Personwürde orientierten Sexualmoral. Diese findet Maß und Norm an der „wesentliche[n] Ordnung seiner Natur“ (3). Deshalb gibt es bei allem kulturellen Wandel überzeitlich gültige Normen, die immer und überall gelten. Sie sind der Vernunft erkennbar und wurden durch die Offenbarung bestätigt, d.h. diese Grundprinzipien sind im „ewigen, objektiven und universalen göttlichen Gesetz“ enthalten (DH 3). Naturrecht und Personwürde dürfen also nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Mit diesem Maßstab werden nun ausgewählt einzelne Themen angesprochen und im Licht der Lehre bewertet: vor- und außereheliche Beziehungen (7), Selbstbefriedigung (9) und eben auch Homosexualität (8) sowie die Kategorien der Todsünde (10), der Keuschheit als Leittugend des Umgangs mit der Geschlechtlichkeit (11) und der Bereitschaft zum sittlichen Kampf um die Tugend (12). Ermahnungen an die Bischöfe schließen das Dokument ab (13).

„Persona humana“ (8) kommt also auf die Homosexualität zu sprechen. Wie entsteht sie? Die Erklärung unterscheidet zwischen „culture“ und „nature“, also zwischen biographischen Phasen und Umweltprägungen, die zumindest vorübergehend zu einer homosexuellen Orientierung führen, und „eine[r] Art angeborenen Trieb“ oder Veranlagung, die irreversibel erscheinen.

„Was nun die Personen dieser zweiten Kategorie betrifft, kommen einige zu dem Schluß, daß ihre Neigung derart natürlich ist, daß sie für sie als Rechtfertigungsgrund für ihre homosexuellen Beziehungen in einer eheähnlichen aufrichtigen Lebens- und Liebesgemeinschaft angesehen werden muß, sofern sie sich nicht imstande fühlen, ein Leben in Einsamkeit zu ertragen“ (8).

Es ist erstaunlich, wie in diesen Worten bereits 1975 das wichtigste Gegenargument der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften erkannt wird. Danach sei die Veranlagung natürlich und aus diesem Grund Teil der persönlichen Identität. Darum kann der Wunsch nach einer Partnerschaft und die Überwindung von Einsamkeit nur in einer entsprechenden Verbindung liegen. Wenn dabei die Wortwahl an einzelnen Stellen aus heutiger Sicht unglücklich erscheint („pathologisch“, „Verirrungen“), so wird man sich heute sicher vorsichtiger ausdrücken. Doch dies schmälert nicht die inhaltliche Klarheit der Passagen.

Ebenso konzise wird dieser Auffassung die katholische Position gegenübergestellt. Einerseits ermutigt sie zur Zuwendung und Wertschätzung der Betroffenen als Personen und erteilt jeder Form der Stigmatisierung eine Absage. Andererseits verlangt sie die Orientierung an den objektiven Maßstäben der Schöpfungsordnung. Differenziert unterscheidet sie dabei die objektive Verletzung der sittlichen Ordnung von der subjektiven, persönlichen Schuldhaftigkeit, die „mit Klugheit beurteilt werden“ muss:

„Sicher muß man sich bei der seelsorglichen Betreuung dieser homosexuellen Menschen mit Verständnis annehmen und sie in der Hoffnung bestärken, ihre persönlichen Schwierigkeiten und ihre soziale Absonderung zu überwinden. Ihre Schuldhaftigkeit wird mit Klugheit beurteilt werden. Es kann aber keine pastorale Methode angewandt werden, die diese Personen moralisch rechtfertigen würde, weil ihre Handlungen als mit ihrer persönlichen Verfassung übereinstimmend erachtet würden. Nach der objektiven sittlichen Ordnung sind die homosexuellen Beziehungen Handlungen, die ihrer wesentlichen und unerläßlichen Regelung beraubt sind. Sie werden in der Heiligen Schrift als schwere Verirrungen verurteilt und als die traurige Folge einer Zurückweisung Gottes dargestellt.18 Dieses Urteil der Heiligen Schrift erlaubt zwar nicht den Schluß, daß alle jene, die an dieser Anomalie leiden, persönlich dafür verantwortlich sind, bezeugt aber, daß die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind und keinesfalls in irgendeiner Weise gutgeheißen werden können“ (8).

2. Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über die Seelsorge für homosexuelle PersonenHomosexualitatis problema (1. Oktober 1986)

Epistula de pastorali personarum homosexualium cura, 1° ottobre 1986, in:
AAS 79 (1987) 543-554; DeS 11 (1995); Documenta 64
OR 31.10.1986, 5 [ital.]; CivCat 137 (1986) 4, 367-376; EV 10, 666-693; LE 5206; Dokumenty, II, 18; Origins 16 (1986) 377-382.

Die Erklärung von 1975 wandte sich nur in einigen ebenso knappen wie treffenden Bemerkungen der sittlichen Bewertung der Homosexualität zu. Doch Klarheit der Normen ist eines, angemessene Seelsorge das andere. Zu ihr legte „Persona humana“ 11 Jahre später, also 1986, die zugrundeliegenden moralischen Prinzipien dar. Doch wie sieht nun eine solche Seelsorge aus? Die Antwort auf diese Frage wird nun zum Hauptthema des Schreibens von 1986. Es stellt die „Magna charta“ der neueren lehramtlichen Beschäftigung mit diesem Problemkreis dar, und an der eingehenden Beschäftigung mit diesem Schreiben führt für alle am Thema Interessierten kein Weg vorbei.

Nach einer kurzen Einleitung zum Thema (1) werden der Zusammenhang von kirchlicher Lehre und wissenschaftlicher Erkenntnis differenziert dargelegt (2) sowie die Leitprinzipien von „Persona humana“ in Erinnerung gerufen (3). (4) bis (6) erörtern die biblischen Grundlagen der Lehre. Diese nehmen die Kirche in die Pflicht, insbesondere bei der Komplementarität der Geschlechter (7), so dass sie dem Druck zu Änderung ihrer Lehre seitens der öffentlichen Meinung und der „pressure groups“ widerstehen muss (8). Erstmals wird dieser Druck aber auch innerkirchlich wahrgenommen, wobei auch die Veränderungen in der Gesetzeslage vieler Länder die Kirche in einen Reformdruck bringen sollen (9). War all dies nur Kontext der Seelsorge, so tritt (10) in die Darlegung der Grundlagen der Pastoral mit homosexuellen Personen ein:

  • Absage an jede Form der Herabsetzung oder Stigmatisierung (10);
  • Unterschied zwischen den Individuen bzw. dem Einzelfall und der generellen Bewertung (11);
  • Ausrichtung des Verhaltens am Willen Gottes, was wie bei jedem Christen auch die Bereitschaft einschließt, das ganz persönliche Kreuz auf sich zu nehmen (12);
  • angemessene, ansprechende Art und Weise, die kirchliche Lehre in Katechese, Predigt, Verkündigung und Seelsorge vorzutragen (13);
  • entschiedener Einspruch gegen den Druck, die Lehre selbst zu verändern (14);
  • Einzelelemente einer Homosexuellenpastoral (15);
  • Beistand in konkreten Problemen (16).
  • Hinweise zur Rolle der Bischöfe in dieser Frage (17), die Erinnerung an die freimachende Wahrheit Christi (Joh 8,32) sowie die Verbindung von Wahrheit und Liebe (Eph 4,15) stellen das Ganze noch einmal in die große christliche Perspektive.

Damit legt das Schreiben zwar nicht erschöpfend, aber doch umfangreich die kirchliche Lehre dar und legt damit die lehrmäßigen Grundlagen für eine angemessene Pastoral. Denn gute Seelsorge klammert die Lehre nicht aus, sondern ist davon überzeugt, dass sie letztlich dem Einzelnen am besten weiterhilft, auch wenn er sich zunächst vielleicht daran reibt oder sie den scheinbar schwereren Weg geht. Treffend heißt es in einem anderen Dokument: „Die Verbreitung von Irrtümern und Zweideutigkeiten ist aber nicht vereinbar mit einer christlichen Haltung wahrer Achtung und echten Mitleids. Personen, die mit Homosexualität ringen, haben nicht weniger als alle anderen das Recht, von denen, die sie seelsorglich begleiten, die authentische Lehre der Kirche zu erhalten“ (Notifikation betreffend Schwester Jeannine Gramick SSND und Pater Robert Nugent SDS [31. Mai 1999] = Documenta 88; AAS 91 [1999] 821-825; OR 14.07.1999, 7; Origins 29.07.1999, vol. 29 [1999] 133-136).


In „Homosexualitatis problema“ von 1986 finden sich Antworten auf alle vier eingangs genannten Anfragen an die Lehre, also 1. zur Sündhaftigkeit, 2. zur Vereinbarkeit mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, 3. zur heutigen Lebenswirklichkeit und 4. zur Keuschheit.

1. Sexuelle Identität und Sündhaftigkeit homosexueller Akte: Schon „Persona humana“ unterstrich 1975 die „Unterscheidung zwischen homosexueller Veranlagung bzw. Neigung und homosexuellen Handlungen“ (3). Eine entsprechende sexuelle Orientierung, Ausrichtung oder Veranlagung fällt darum nicht in den Bereich der Sünde. Dennoch stellt sie eine Herausforderung dar, die nicht einfach durch eine Akzeptanz oder Gutheißung bewältigt werden kann. An diesem Punkt stellt das Schreiben „Homosexualitatis problema“ von 1986 klar:

„In der Diskussion, die auf die Veröffentlichung der Erklärung folgte, erfuhr die homosexuelle Veranlagung jedoch eine über die Maßen wohlwollende Auslegung; manch einer ging dabei so weit, sie als indifferent oder sogar als gut hinzustellen. Demgegenüber muß folgende Präzisierung vorgenommen werden: Die spezifische Neigung der homosexuellen Person ist zwar in sich nicht sündhaft, begründet aber eine mehr oder weniger starke Tendenz, die auf ein sittlich betrachtet schlechtes Verhalten ausgerichtet ist. Aus diesem Grunde muß die Neigung selbst als objektiv ungeordnet angesehen werden. Deshalb muß man sich mit besonderem seelsorglichen Eifer der so veranlagten Menschen annehmen, damit sie nicht zu der Meinung verleitet werden, die Aktuierung einer solchen Neigung in homosexuellen Beziehungen sei eine moralisch annehmbare Entscheidung“ (3).

Anders gesagt, kann eine homosexuelle Veranlagung zur Quelle einer zweifachen Versuchung werden: dementsprechend sexuell aktiv zu werden und dies sittlich auch grundsätzlich in Ordnung zu finden – also die Versuchung zu sündigen und die, die Sünde gutzuheißen.

Deshalb ist auch die Rede von der „sexuellen Identität“ verkürzend und kann in die Irre führen. Wenn Menschen sich selbst damit identifizieren, ob sie „Homo“, „Hetero“, „Bi“ oder etwas anderes sind, dann erscheint in der Tat jede Infragestellung eines entsprechenden Verhaltens wie ein persönlicher Vorwurf. Dann wird auch jede Gesetzgebung als diskriminierend diffamiert, die nicht alle solche Partnerschaften gleichstellt. Doch eine affektive Ausrichtung konstituiert nicht die persönliche Identität. Sie ist eine Eigenschaft oder wird vielleicht auch zu einer entsprechenden Praxis. Wenn ein Christ darum ein bestimmtes Verhalten nicht billigt, dann raubt er dem anderen dadurch nichts von seiner Würde. Jeder Mensch ist ja Sünder, und die Verurteilung der Sünde meint alles andere als die Verwerfung des Sünders. Im Gegenteil, die Würde des Menschen besteht gerade darin, mit bestimmten Prägungen und Grenzen zu wachsen als Geschöpf und Kind Gottes:

„Die menschliche Person, die nach dem Abbild und Gleichnis Gottes geschaffen ist, kann nicht adäquat beschrieben werden, wenn man sie auf ihre geschlechtliche Ausrichtung eingrenzt. Jeder Mensch auf dieser Erde hat persönliche Probleme und Schwierigkeiten, aber auch Möglichkeiten zu wachsen, Fähigkeiten, Talente und eigene Gaben. Die Kirche bietet den gerade heute empfundenen dringend nötigen Zusammenhang für die Sorge um die Person des Menschen an, wenn sie sich weigert, eine Person ausschließlich als »heterosexuell« oder »homosexuell« einzustufen, und darauf besteht, daß jeder Person dieselbe fundamentale Identität zukommt: Geschöpf zu sein und durch die Gnade Kind Gottes, Erbe des ewigen Lebens“ (16).

So besteht die Würde des Menschen als Bild Gottes in seiner Freiheit, nicht in bestimmten leiblichen oder affektiven Eigenschaften. Von wenigen Einzelfällen abgesehen, bleibt jeder Mensch auch frei, sein sexuelles Verhalten zu steuern und zu beherrschen. Deshalb determiniert auch eine homosexuelle Ausrichtung kein entsprechendes Verhalten:

„Hier ist es nötig, sich an die Weisheit der moralischen Überlieferung der Kirche zu halten, die vor Verallgemeinerungen im Urteil aller Einzelfälle warnt. In der Tat können in einem bestimmten Fall Umstände auftreten oder in der Vergangenheit aufgetreten sein, welche die Schuldhaftigkeit des einzelnen vermindern oder geradezu aufheben, während andere Umstände sie wiederum vermehren können. Was auf jeden Fall vermieden werden muß, ist die ebenso unbegründete wie demütigende Annahme, das geschlechtliche Verhalten homosexueller Partner sei immer und vollständig dem Zwang unterworfen und daher frei von Schuld. In Wirklichkeit muß auch bei den Personen mit homosexueller Neigung jene grundlegende Freiheit anerkannt werden, welche die menschliche Person als solche charakterisiert und ihr eine besondere Würde verleiht. Wie bei jeder Umkehr vom Bösen kann, dank dieser Freiheit, das von der göttlichen Gnade erleuchtete und gestärkte Mühen es jenen Personen gestatten, homosexuelles Tun zu unterlassen“ (11).

2. Wissenschaft und kirchliche Lehre: Hellsichtig erkannte das Schreiben von 1986 bereits damals einen doppelten Druck auf die Lehre, nämlich (a) seitens der Lebens- und Humanwissenschaften, aber auch (b) zunehmend innerhalb der Theologie, insbesondere der biblischen Theologie.

(a) Lebens- und Humanwissenschaften und Theologie: Klug und differenziert beschreibt das Dokument die Verwiesenheit beider aufeinander, aus der sich auch bestimmte Kriterien der Verwendung der Lebens- und Humanwissenschaften im Verständnis der christlichen Moral ableiten lassen. Sie ersetzen „den besonderen Zusammenhang der Sichtweise katholischer Moral“ nicht, aber können ihn vertiefen und klären:

„Diese [sc. Sichtweise] hat durch die gesicherten Ergebnisse der Humanwissenschaften Bestätigung und Bereicherung erfahren, welche ihr eigenes Forschungsgebiet und ihre eigene Methode haben, die sich berechtigter Autonomie erfreuen. Der Standpunkt der katholischen Moral fußt auf der menschlichen Vernunft, die durch den Glauben erleuchtet und von der bewußten Absicht geleitet ist, den Willen Gottes, unseres Vaters, zu erfüllen. Auf diese Weise befindet sich die Kirche zum einen in der Lage, von den wissenschaftlichen Forschungsergebnissen lernen zu können, zum anderen aber auch, deren Gesichtskreis zu übersteigen. Sie ist sich dessen sicher, daß ihre umfassendere Sicht die komplexe Wirklichkeit der menschlichen Person achtet, die in ihren geistigen wie körperlichen Dimensionen von Gott geschaffen und dank seiner Gnade zum ewigen Leben berufen ist“ (2).

Was sind demnach die Kriterien der Verwendung der außertheologischen Wissenschaften?

  • Die christliche Moral bezieht sich auf die Schöpfungsordnung, also die Natur. Diese ist der menschlichen Vernunft und damit einer wissenschaftlichen Erforschung offen. Die Offenbarung enthält zur Sittlichkeit keine neuen inhaltlichen Gebote, die nicht auch einer „durch den Glauben erleuchtet[en] und auf von der bewußten Absicht geleitet[en Vernunft] […], den Willen Gottes, unseres Vaters, zu erfüllen“ zugänglich ist. So bleibt die Kirche offen für die Vielzahl von Faktoren biologischer, biographischer, psychologischer oder auch gesellschaftlich-kultureller Art, die zu einer homosexuellen Orientierung führen können. Auch die Unterscheidung sogenannter tiefsitzender Neigungen im Gegensatz zu vorübergehenden Adoleszenzphänomenen ist primär eine Frage der Psychologie, von der die Kirche in ihrer Praxis lernen kann – dies wurde etwa für die Zulassung zu den Priesteramtskandidaten und zur Weihe relevant, welche die Bildungskongregation 2005 beschäftigt hat, aber auch für die so leidvolle Frage des sexuellen Missbrauchs und der Heilungsaussichten bei Tätern.
  • „Fides et ratio“, Glaubens- und Vernunftwahrheit können sich deshalb nicht widersprechen. Beide haben allerdings unterschiedliche Quellen, Methoden und auch Gewissheitsgrade. Deshalb kann die Kirche „von den wissenschaftlichen Forschungsergebnissen lernen“ und dadurch „Bestätigung und Bereicherung erfahren“. Das hat etwa zur Folge, dass bei einer homosexuellen Orientierung nicht mehr in der Regel von einer eigenen Schuld ausgegangen wird.
  • Ebenso wichtig ist aber auch die Überzeugung, dass die Glaubenswahrheit gegenüber den Wissenschaften „deren Gesichtskreis zu übersteigen“ imstande ist. Sie tut dies, indem sie 1. „die gesicherten Ergebnisse der Humanwissenschaften“ von bloßen Hypothesen, Schulmeinungen oder erst recht modisch gefärbten, vereinseitigten oder ideologisierten Ansichten unterscheidet, die im Gewand der Wissenschaft überzeugender wirken sollen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass genau dies auf Feldern, auf denen wahre Kulturkriege toben, nicht selten der Fall ist. Dann behält der Glaube einen kühlen Kopf und verwechselt nicht offensiv, ja manchmal aggressiv vorgetragene Positionen mit gesicherten Ergebnissen. Er schafft vielmehr Foren der offenen und breiten Diskussion und erteilt keine Denkverbote. Paradox, aber wahr: Früher warf man der Kirche den Absolutismus des Wahrheitsanspruchs vor, heute dagegen kann sie zu einem Refugium echter Wissenschaftsfreiheit angesichts von massiver Forschungslenkung, ja sogar von Zensur, werden. Der Glaube wehrt sich auch gegen jeden „Versuch einer Manipulation der Kirche“ (9), durchaus auch innerhalb der Kirche selbst. Er bleibt besonders wachsam „allen Programmen gegenüber, […] welche die Kirche zu bedrängen suchen, ihre Lehre zu ändern, auch wenn sie mit Worten vorgeben, daß dem nicht so sei“ (14).
  • Die Ausrichtung des menschlichen Handelns auf den Gehorsam gegenüber Gottes Willen stellt eine klare Alternative zur Grundorientierung an der sexuellen Selbstbestimmung dar. Das ist eine anthropologische Grundentscheidung mit weitreichenden Konsequenzen: der Mensch, der auf Gott hin geschaffen ist, oder der Mensch, der alles tun kann, solange es nur nicht die Freiheit anderer verletzt. Da sich nach christlicher Überzeugung nun aber Gottes Wille in der Schöpfungsordnung offenbart, ist alles Handeln daran zu messen, wie es auf diese Ordnung eingeht und sie mit Leben füllt. Dies ist dann wiederum auch das Beste für jeden Einzelnen, während die exklusive Orientierung an den eigenen Bedürfnissen und Empfindungen oder am Konsens der Partner nach Paulus auch „ein Beispiel für die Blindheit [sein kann], welche die Menschheit übermächtigt hat. An die Stelle der ursprünglichen Harmonie zwischen dem Schöpfer und seinen Geschöpfen ist die tiefe Verkehrung in den Götzendienst hinein getreten, die zu allen möglichen Formen von Ausschweifungen auf moralischem Gebiet geführt hat. Der heilige Paulus findet das klarste Beispiel für diese Disharmonie gerade in den gleichgeschlechtlichen Beziehungen (vgl. Röm 1,18-32)“ (6).

(b) Theologie: Während das Dokument gegenüber den Wissenschaften vorwiegend also auf das Naturrecht zurückgreift, argumentiert es theologisch ganz biblisch. Die entsprechende biblische Theologie wird in (4) bis (7) ausführlich vorgestellt. Dabei erinnert sie auch an die hermeneutischen Grundprinzipien, nach denen die Heilige Schrift als Glaubensquelle gebraucht werden kann. In der Tat werden sie von vielen Kritikern überhaupt nicht beachtet. Nach diesen Prinzipien muss die einzelne Bibelstelle im Zusammenhang der gesamten Schrift des Alten und des Neuen Testamentes gelesen werden, und deren Verständnis beruht wiederum auf dem „organische[n] Zusammenhang mit der Sichtweise der Heiligen Schrift und der beständigen Überlieferung“ (8). Selbst wenn einzelne Exegeten zu einzelnen Stellen also neue Sichtweisen vortragen, ist das gesamte Zeugnis der Schrift gerade auch in ihrer Vielgestalt und in den verschiedenen Kulturen, in denen es formuliert wurde, eindeutig im moralischen Urteil:

„Im Rahmen solch bemerkenswerter Verschiedenheit existiert in den Schriften selbst eine klare innere Einheit hinsichtlich der Frage des homosexuellen Verhaltens. Deshalb gründet sich die Lehre der Kirche in diesem Punkt nicht auf aus dem Zusammenhang gerissene Sätze, aus denen man fragwürdige theologische Argumente ableiten kann; vielmehr fußt sie auf dem soliden Fundament eines beständigen biblischen Zeugnisses. Die heutige Glaubensgemeinschaft, die in ungebrochener Kontinuität mit den jüdischen und christlichen Gemeinschaften steht, innerhalb derer die alten Schriften verfaßt wurden, wird weiter von den gleichen Schriften und vom Geist der Wahrheit genährt, dessen Wort sie sind. Es ist gleicherweise wesentlich anzuerkennen, daß die Heiligen Schriften nicht in ihrem eigentlichen Sinne verstanden werden, wenn sie in einer der lebendigen Tradition der Kirche widersprechenden Weise ausgelegt werden. Die Interpretation der Schrift muß, wenn sie korrekt sein will, mit dieser Tradition in wirklicher Übereinstimmung stehen. Das II. Vatikanische Konzil hat es so ausgedrückt: »Es zeigt sich also, daß die Heilige Überlieferung, die Heilige Schrift und das Lehramt der Kirche gemäß dem weisen Ratschluß Gottes so miteinander verknüpft und einander zugesellt sind, daß keines ohne die anderen besteht und daß alle zusammen, jedes auf seine Art, durch das Tun des einen Heiligen Geistes wirksam dem Heil der Seelen dienen« (Dei Verbum, Nr. 10). Im Licht dieser Aussagen wird nun die diesbezügliche Lehre der Bibel in kurzer Form dargestellt“ (5).

dazu berufen, in ihrer geschlechtlichen Bezogenheit aufeinander die innere Einheit des Schöpfers widerzuspiegeln

Inhaltlich steht die Schöpfungstheologie der ersten Kapitel des Buches Genesis im Mittelpunkt. Entscheidend ist dabei die Ambivalenz der menschlichen Natur und darum auch ihrer Sexualität: gute Schöpfung, jedoch verdunkelt durch die Erbsünde. Diese Spannung ist neutestamentlich-paulinisch bestätigt und nicht aufgehoben (1 Kor 6,9; Röm 1,18-32 und 1 Tim 1, 10). Es lohnt sich, diese Passage ausführlicher wiederzugeben:

„Die Schöpfungstheologie, wie sie im Buch Genesis vorliegt, bietet für das angemessene Verstehen der durch die Homosexualität aufgeworfenen Probleme den grundlegenden Gesichtspunkt. In seiner unendlichen Weisheit und in seiner allmächtigen Liebe ruft Gott alles ins Dasein, als Ausdruck seiner Güte. Er erschafft den Menschen als Mann und Frau nach seinem Abbild und Gleichnis. Deshalb sind die Menschen Gottes Geschöpfe und dazu berufen, in ihrer geschlechtlichen Bezogenheit aufeinander die innere Einheit des Schöpfers widerzuspiegeln. Sie tun dies in einzigartiger Weise in ihrer Mitwirkung mit ihm bei der Weitergabe des Lebens, und zwar im Akt des gegenseitigen Sich-Schenkens in der Ehe. – Das dritte Kapitel der Genesis zeigt, wie diese Wahrheit über die menschliche Person, die Gottes Abbild ist, durch die Erbsünde verdunkelt worden ist. Hieraus folgt unausweichlich ein Verlust an Bewußtsein des Bundescharakters der Gemeinschaft, die diese Personen mit Gott und untereinander besaßen. Der menschliche Leib behält zwar seine »bräutliche Bedeutung«, die aber nun durch die Sünde verdunkelt ist. So setzt sich die der Sünde zuzuschreibende Entartung fort in der Geschichte von den Männern von Sodom (vgl. Gen 19,1-11). Das moralische Urteil, das hier gegen homosexuelle Beziehungen gefällt wird, kann keinem Zweifel unterliegen. In Lev 18,22 und 20,13 schließt der Verfasser bei Beschreibung der notwendigen Voraussetzungen, um zum auserwählten Volk Israel zu gehören, diejenigen aus dem Volk Gottes aus, die sich homosexuell verhalten. Auf dem Hintergrund dieses theokratischen Gesetzes entfaltet der heilige Paulus eine eschatologische Perspektive, innerhalb derer er die gleiche Lehre wiederaufnimmt und auch jene, die sich homosexuell verhalten, unter die Menschen einreiht, die das Reich Gottes nicht erben werden (vgl. 1 Kor 6,9). In einem anderen Abschnitt seiner Briefsammlung stellt er — fußend auf den Moralüberlieferungen der Vorfahren, die er aber in den neuen Zusammenhang der Auseinandersetzung zwischen Christentum und damaliger heidnischer Gesellschaft einbringt — das homosexuelle Verhalten als ein Beispiel für die Blindheit hin, welche die Menschheit übermächtigt hat. An die Stelle der ursprünglichen Harmonie zwischen dem Schöpfer und seinen Geschöpfen ist die tiefe Verkehrung in den Götzendienst hinein getreten, die zu allen möglichen Formen von Ausschweifungen auf moralischem Gebiet geführt hat. Der heilige Paulus findet das klarste Beispiel für diese Disharmonie gerade in den gleichgeschlechtlichen Beziehungen (vgl. Röm 1,18-32). In vollständiger Kontinuität mit dieser biblischen Überlieferungslinie werden schließlich beim Aufzählen derjenigen, welche gegen die gesunde Lehre verstoßen, ausdrücklich jene als Sünder bezeichnet, die homosexuelle Akte begehen (vgl. 1 Tim 1, 10)“ (6).

Kurz: Was ein Mensch geschlechtlich ist, wie er empfindet und wie sich seine sexuellen Bedürfnisse äußern, das entspringt zwar dem guten Schöpfungswillen Gottes, aber gleichzeitig ist es versehrt und verkehrt – selbstverständlich bei jedem Menschen und nicht nur bei einer gleichgeschlechtlichen Neigung. Erst durch Bekehrung, Reinigung, Erleuchtung durch klare Prinzipien, Ringen um Keuschheit und nicht zuletzt die Hilfen von Glauben, Gebet und Sakramenten wird er allmählich und durch manche Niederlage hindurch zu einem Menschen, der diese vitale Urkraft in das Gesamt eines Lebens nach dem Willen Gottes integriert hat. Schön hat dies auch Johannes Paul II. ausgedrückt:

“Man hat [sc. in einer Resolution des Europaparlamentes] nicht beachtet, dass das wahre Recht des Menschen im Sieg über sich selbst besteht, um in Übereinstimmung mit einem guten Gewissen zu leben. Ohne das grundlegende Wissen um die moralischen Normen sind das menschliche Leben und die Menschenwürde Verfall und Zerstörung ausgesetzt. Weil man das Wort Christi vergessen hat: ‚Die Wahrheit wird euch frei machen‘ (Joh 8,32), versuchte man den Bewohnern unseres Kontinents das moralisch Böse, den Irrweg und eine Art von Sklaverei als einen Weg der Befreiung auszugeben, und dazu hat man auch das eigentliche Wesen der Familie verfälscht“ (Angelus -Ansprache am 20. Februar 1994; eig. Übers.).

Selbstverständlich stellt die Integration der Geschlechtskraft und ihrer Triebe und Affekte in ein Leben nach Gottes Willen eine Lebensaufgabe dar, und zwar für ausnahmslos alle, für Heterosexuelle ebenso wie Bi- und Homosexuelle, nur eben dass sich einem jedem diese Aufgabe in einer sehr persönlichen Art und Weise stellt. Das ist übrigens auch der Grund dafür, warum das Dokument gegenüber „Pressionsgruppen mit unterschiedlichen Namen und verschiedenem Umfang“ starke Vorbehalte hat, die auch zu einer Art Gruppenzwang führen können. Ihre Grundtendenz versucht „den Eindruck zu erwecken […], als ob sie sämtliche homosexuelle Personen, die katholisch sind, vertreten würde. Tatsächlich sind jedoch ihre Anhänger zumeist auf jene Personen begrenzt, die entweder die Lehre der Kirche nicht kennen oder sie irgendwie zu untergraben suchen. Man versucht, auch solche homosexuellen Personen unter dem Schild des Katholischen zu sammeln, die keinerlei Absicht haben, ihr homosexuelles Verhalten aufzugeben. Eine der dabei verwendeten Taktiken besteht darin, im Ton des Protestes zu erklären, daß jede Art von Kritik oder Vorbehalt gegenüber homosexuellen Personen, ihrem Verhalten und ihrem Lebensstil, lediglich Formen ungerechter Diskriminierung seien“ (9). Echte Diversität muss gerade auch in einem so hochpersönlichen Bereich wie der eigenen Sexualität gewahrt bleiben!

Wie verkürzt und schlichtweg falsch ist entsprechend dieser biblischen Theologie die Logik: „Gott hat mich gut so geschaffen, wie ich bin und empfinde. Wenn ich dementsprechend handele, ist das in seinem Sinne und sicher keine Sünde.“ Die Autorität des Schriftwortes verpflichtet die Kirche vielmehr zu einem glaubenden Gehorsam. Sie kann darum nicht anders als die Ehe von Mann und Frau als einzigen Ort einer schöpfungsgemäßen, für Christen sogar sakramental geheiligten sexuellen Begegnung zu verkünden: „Die Kirche, die ihrem Herrn gehorsam ist, der sie gegründet und ihr das sakramentale Leben eingestiftet hat, feiert den göttlichen Plan der Liebe und der Leben schenkenden Vereinigung von Mann und Frau im Sakrament der Ehe. Einzig und allein in der Ehe kann der Gebrauch der Geschlechtskraft moralisch gut sein. Deshalb handelt eine Person, die sich homosexuell verhält, unmoralisch“ (7).

Man kann übrigens zu diesem exegetischen Themengebiet inzwischen auch das Dokument der Päpstlichen Bibelkommission hinzufügen, das leider noch nicht in deutscher Sprache vorliegt: „‘Che cosa è l’uomo?‘ (Sal 8,5). Un itinerario di antropologia biblica“, Nr. 185 bis 195.

3. Heutige Lebenswirklichkeit und neuere Gesetzgebung: Bei den beiden letzten Einwänden (3. und 4.) können wir die Erkenntnisse aus (1.) und (2.) zugrunde legen. Die biblische Theologie deckte die Spannung zwischen dem Faktischen und dem Richtigen auf: Die Lebenswirklichkeit ist niemals einfach in Ordnung. Das faktisch Gelebte kann nicht zum Maßstab christlicher Moral gemacht werden. Denn in dem Maß, wie es die ursprüngliche Ordnung der Schöpfung verlässt, verdunkelt es auch die Berufung des Menschen. „So ist das heute“, „So leben die allermeisten“, „Etwas anderes zu verlangen ist unrealistisch“, solche Sätze halten den Menschen gefangen in einer Haltung, die gar nicht mehr um die Größe dieser Berufung wissen darf. Dass deshalb diese Lebenswirklichkeit von „pressure groups auch noch als maßgeblich und alternativlos ausgegeben wird, ist eher ein Beleg dafür, dass das faktisch Gelebte nicht wirklich in der „ursprünglichen Harmonie zwischen dem Schöpfer und seinen Geschöpfen“ (7) geborgen ist, sondern in sich widersprüchlich bleibt. Vorausschauend hat bereits das Schreiben von 1986 erkannt, dass auch innerhalb der Kirche ein solcher Druck aufgebaut wird, oft unter dem Vorwand, Diskriminierungen abzubauen. Dass die kirchliche Lehre faktische Lebensformen nicht einfach gutheißt, ist also alles andere als lebensfern. Die Kirche kommt darin vielmehr ihrer Aufgabe nach, aus allen Ambivalenzen des Istzustandes den Blick zu öffnen auf das, was der Menschen sein soll und mit Gottes Hilfe auch sein kann. Dass die Kirche dabei oft allein auf weiter Flur dasteht, macht ihr Zeugnis und ihre Seelsorge nur umso unersetzlicher.

Was die homosexuellenfreundliche Gesetzgebung angeht, so hat die Glaubenskongregation sich dazu in einem eigenen Schreiben ausführlicher geäußert, den „Erwägungen zu Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung von Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen“. Es wird unten noch ausführlicher vorgestellt.

4. Keuschheit: Biblisch hat das Schreiben die Ambivalenz der menschlichen Natur herausgearbeitet: Sie ist gut geschaffen, aber versehrt. Darum ist von ausnahmslos allen Menschen Umkehr, Neuausrichtung auf den Willen Gottes, Bemühen um Beherrschung, Integration von Trieb und Empfinden und die Anwendung aller Hilfen dabei verlangt. Der Kampf gegen das Böse und für das Gute wird somit zur großen Lebensaufgabe – vom Erwachen der Vernunft als Kind bis zum letzten Atemzug. Für den Christen wird dieser Kampf zur Nachfolge Christi, des Gekreuzigten. Was heißt das für Menschen, die in sich eine Neigung zum eigenen Geschlecht wahrnehmen?

„Was sollen demnach homosexuelle Personen tun, die dem Herrn folgen wollen? Grundsätzlich sind sie dazu aufgerufen, den Willen Gottes in ihrem Leben zu verwirklichen, indem sie alle Leiden und Schwierigkeiten, die sie aufgrund ihrer Lage zu tragen haben, mit dem Kreuzesopfer Christi vereinigen. Für den Glaubenden ist das Kreuz ein segenbringendes Opfer, weil aus jenem Tod Leben und Erlösung erstehen. Auch wenn jeder Aufruf, das Kreuz zu tragen oder das Leiden eines Christen in dieser Weise zu verstehen, voraussichtlich von einigen belächelt werden wird, sei daran erinnert, daß dies der Weg zur Erlösung für all jene ist, die Christus nachfolgen. […] Dieser Aufruf wird jedoch leicht mißverstanden, wenn er als ein doch zweckloses Bemühen um Selbstverleugnung angesehen wird. Das Kreuz ist gewiß ein Ausdruck der Selbstverleugnung, die aber im Dienst des Willens Gottes steht, der aus dem Tod Leben erstehen läßt und der jene, die ihm vertrauen, befähigt, den Weg der Tugend anstelle den des Lasters zu gehen. […] Homosexuelle Personen sind, wie die Christen insgesamt, dazu aufgerufen, ein keusches Leben zu führen. Wenn sie in ihrem Leben die Natur des persönlichen Rufes Gottes an sie zu verstehen suchen, werden sie das Sakrament der Buße mit größerer Treue feiern und die hier so freigebig angebotene Gnade des Herrn empfangen können, um sich vollkommener zu seiner Nachfolge bekehren zu können“ (12).

Wir sprachen von einer anthropologischen Grundentscheidung. An dieser Stelle wird nun klar: Keuschheit als Ziel jedes Umgangs mit der eigenen Sexualität, wie viel mehr Glanz hat dieses Ideal als das der bloßen sexuellen Selbstbestimmung! Denn diese bleibt letztlich im Istzustand stecken, und sie hat ihr Maß darin, dass die eigenen Bedürfnisse möglichst gut befriedigt werden. Neigung, Leidenschaft oder auch die Erregung eines Augenblicks werden gewissermaßen zum eigenen Gott, dessen Wille zu erfüllen ist – das hat der hl. Paulus scharfsichtig erkannt, wenn er die Abkehr von Gott und die Unkeuschheit zusammensah (Röm 1,18-24). Ist der Weg der Keuschheit unrealistisch? Entscheidend ist es, dass jemand klarsieht und weiß, was auf dem Spiel steht. Gerade aus diesem Grund ist es auch so wichtig, dass die Kirche unverdrossen die rechte Lehre verkündigt und sie nicht verwässert:

Es „ist offenkundig, daß eine klare und wirksame Verkündigung der kirchlichen Lehre an alle Gläubigen und an die Gesellschaft als ganze in weitem Maße von der korrekten Unterweisung und Gläubigkeit ihrer Seelsorger abhängt. Den Bischöfen kommt die besonders schwere Verantwortung zu, dafür Sorge zu tragen, daß ihre Mitarbeiter, allen voran die Priester, in rechter Weise informiert und persönlich dazu ausgerüstet sind, die Lehre der Kirche einem jeden vollständig zu verkündigen. Der besondere Eifer und der gute Wille, den viele Priester und Ordensleute bei ihrer Seelsorge für homosexuelle Personen unter Beweis stellen, ist bewundernswert; diese Kongregation hofft, daß beides nicht erlahmt. Solche eifrigen Seelsorger sollen darauf vertrauen, daß sie den göttlichen Willen treu befolgen, wenn sie homosexuelle Personen ermutigen, ein keusches Leben zu führen, und wenn sie diese an ihre unvergleichliche Würde erinnern, die Gott auch jenen Personen geschenkt hat“ (13).

B. Einzelaspekte in einigen weiteren Dokumenten des Lehramtes

Die Antwort auf die vier hauptsächlichen Vorwürfe gegen die katholische Lehre zur Homosexualität kann auch zum Führer zu einigen weiteren lehramtlichen Dokumenten werden, welche die Lehre der beiden Grunddokumente voraussetzen und sie auf spezielle Aspekte hin anwenden.

1. Sexuelle Identität – Nachsynodales Schreiben „Amoris Laetitia“ von Papst Franziskus (19. März 2016) und andere Dokumente und Ansprachen

Alle vorgestellten Dokumente stellten unmissverständlich klar: Es darf keine Herabsetzung, Stigmatisierung oder Diskriminierung Homosexueller geben. Seitens der Kirche und der Seelsorge verlangt dies Wertschätzung, Zuwendung und Begleitung, allerdings auf der Grundlage klarer Prinzipien der Lehre. Dabei kann es Momente geben, in denen Empathie und Ermutigung im Vordergrund stehen, und andere, die stärker die Auseinandersetzung mit dem moralischen Sollen verlangen. Beides auszubalancieren, um dem einzelnen Menschen in seiner Situation gerecht zu werden, macht die Kunst der Seelsorge aus. So sagte Johannes Paul II. beim Angelus am 20. Februar 1994 anlässlich einer Resolution des Europäischen Parlamentes:

“Dieser Entwurf verteidigt nicht bloß Personen mit homosexuellen Neigungen und weist dafür deren ungerechte Diskriminierungen zurück. Damit stimmt auch die Kirche überein, ja sie unterstützt es und macht es sich zu eigen, denn jede menschliche Person hat Achtung verdient. Was dagegen moralisch nicht annehmbar ist, ist die rechtliche Anerkennung homosexueller Praxis. Jemandem verständnisvoll zu begegnen, der sündigt und nicht imstande ist, von dieser Neigung loszukommen, ist nicht damit gleichzusetzen, die sittliche Norm in ihrem Anspruch herabzusetzen (vgl. Johannes Paul II, Veritatis Splendor, 95). Christus hat der Ehebrecherin verziehen, indem er sie vor der Steinigung bewahrt hat (vgl. Joh 8,1-11), doch gleichzeitig hat er ihr gesagt: ‚Geht hin, und von nun an sündige nicht mehr‘ (vgl. Joh 8,11).“

Diese Kunst der Seelsorge liegt ebenso Papst Franziskus am Herzen, wie er es wiederholt auch für die Seelsorge an homosexuellen Personen ausgedrückt hat. In „Amoris laetitia“ macht er sich die traditionelle Lehre zu eigen und verwahrt sich gegen Druck auf die Kirche von außen:

„250: Die Kirche passt ihre Haltung Jesus, dem Herrn, an, der sich in grenzenloser Liebe für jeden Menschen, ohne Ausnahme, geopfert hat. Mit den Synodenvätern habe ich die Situation von Familien bedacht, welche die Erfahrung machen, dass in ihrer Mitte Menschen mit homosexueller Orientierung leben – eine Erfahrung, die nicht leicht ist, sowohl für die Eltern, als auch für die Kinder. Darum möchten wir vor allem bekräftigen, dass jeder Mensch, unabhängig von seiner sexuellen Orientierung, in seiner Würde geachtet und mit Respekt aufgenommen werden soll und sorgsam zu vermeiden ist, ihn ‚in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen‘ oder ihm gar mit Aggression und Gewalt zu begegnen. In Bezug auf die Familien kommt es hingegen darauf an, eine respektvolle Begleitung zu gewährleisten, damit diejenigen, welche die homosexuelle Tendenz zeigen, die notwendigen Hilfen bekommen können, um den Willen Gottes in ihrem Leben zu begreifen und ganz zu erfüllen.

251. Im Laufe der Debatte über die Würde und die Mission der Familie haben die Synodenväter angemerkt: ‚Was die Pläne betrifft, die Verbindungen zwischen homosexuellen Personen der Ehe gleichzustellen, gibt es keinerlei Fundament dafür, zwischen den homosexuellen Lebensgemeinschaften und dem Plan Gottes über Ehe und Familie Analogien herzustellen, auch nicht in einem weiteren Sinn.“ Es ist unannehmbar, „dass auf die Ortskirchen in dieser Frage Druck ausgeübt wird und dass die internationalen Organisationen Finanzhilfen für arme Länder von einer Einführung der ‚Ehe‘ unter Personen des gleichen Geschlechts in ihrer Gesetzgebung abhängig machen‘.“

An einer späteren Stelle weist Papst Franziskus auf einen Punkt hin, der zur traditionellen Lehre gehört und der sich auch den Schreiben der Glaubenskongregation wiederfindet, die Frage der persönlichen Schuldhaftigkeit:

„Daher ist es nicht mehr möglich zu behaupten, dass alle, die in irgendeiner sogenannten ‚irregulären‘ Situation leben, sich in einem Zustand der Todsünde befinden und die heiligmachende Gnade verloren haben. (…) Ein Mensch kann, obwohl er die Norm genau kennt, große Schwierigkeiten haben im Verstehen der Werte, um die es in der sittlichen Norm geht oder er kann sich in einer konkreten Lage befinden, die ihm nicht erlaubt, anders zu handeln und andere Entscheidungen zu treffen, ohne eine neue Schuld auf sich zu laden“ (Nr. 301).

In „Misericordiae Vultus“, der Verkündigungsbulle zum außerordentlichen Jubiläum der Barmherzigkeit vom 11. April 2015, hat der amtierende Papst sich bemüht, die Balance in der Seelsorge zwischen dem unverkürzten Anspruch des sittlich Geforderten, der Gerechtigkeit, und dem erbarmenden Umgang mit der Sünde als Leitlinie vorzugeben:

„Es ist nicht sinnlos, in diesem Zusammenhang auf die Beziehung zwischen Gerechtigkeit und Barmherzigkeit hinzuweisen. Es handelt sich dabei nicht um zwei gegensätzliche Aspekte, sondern um zwei Dimensionen einer einzigen Wirklichkeit, die sich fortschreitend entwickelt, bis sie ihren Höhepunkt in der Fülle der Liebe erreicht hat. Die Gerechtigkeit ist ein grundlegendes Konzept der Zivilgesellschaft, in der man sich normalerweise auf eine Rechtsordnung bezieht, in deren Rahmen das Gesetz angewendet wird. Unter Gerechtigkeit versteht man auch, dass einem jeden das gegeben werden muss, was ihm zusteht. In der Bibel spricht man vielfach von der Gerechtigkeit Gottes und von Gott als Richter. Dabei wird sie gemeinhin verstanden als die Beachtung des gesamten Gesetzes und das Verhalten eines jeden guten Israeliten gemäß dem göttlichen Gebot. Diese Sichtweise hat aber nicht selten zu einem Legalismus geführt, indem man den ursprünglichen Sinn verfälscht und den tiefen Sinn der Gerechtigkeit verdunkelt hat. Um eine legalistische Sichtweise zu überwinden, ist es notwendig sich daran zu erinnern, dass in der Heiligen Schrift die Gerechtigkeit hauptsächlich als ein sich völliges und vertrauensvolles Überlassen in den Willen Gottes verstanden wird.“

2. Wissenschaft – Johannes Paul II., Ansprache zum Angelus am 19. Juni 1994

In der Tat liegt das Naturgesetz, gerade weil es von Gott in das Herz eingeschrieben ist, jedem von Menschen gemachten Gesetz voraus und ist Maßstab für dessen Gültigkeit

Die Dokumente haben mehrfach unterstrichen, dass die kirchliche Lehre zur Homosexualität auf die Naturordnung zurückgeht und sich insofern allen Menschen vernünftig erschließen lässt. Dass heißt natürlich nicht, dass die Mehrzahl von ihnen ihre Prinzipien auch tatsächlich leicht und gerne nachvollziehen kann und will. Zu stark sind dafür die Einflüsse einer bestimmten Mentalität in der Öffentlichkeit und Kultur, zu stark aber auch die enormen affektiven Kräfte, die im Bereich der Geschlechtlichkeit freigesetzt werden und die ein klares Urteil über Gut und Böse erschweren („Liebe macht blind“). Schließlich kommt der Relativismus hinzu, der objektive sittliche Normen überhaupt in Frage stellt. Zu alldem hat sich sehr konzentriert Johannes Paul II. in einer Angelus-Ansprache 1994 geäußert (2.):

„Heute macht sich leider ein Relativismus breit, der dazu drängt, die Existenz einer objektiven Wahrheit überhaupt in Frage zu stellen. Dabei spiegelt er die Frage des Pilatus an Jesus wider: ‚Was ist die Wahrheit?‘ (Joh 18,38). Ausgehend von einem solchen Skeptizismus gelangt man zu einer irrigen Vorstellung von der Freiheit, die sich jeder ethischen Grenze entziehen und die selbstverständlichsten Vorgaben der Natur umzuformulieren anschickt. Gewiss, der Mensch entdeckt die Wahrheit stets auf begrenzte Art und Weise. Man kann bei ihm darum von einem Pilger der Wahrheit sprechen. Doch das ist eindeutig etwas anderes als Relativismus und Skeptizismus. Die Erfahrung belegt nämlich, dass unser Geist, obwohl von mancherlei Bedingtheiten verdunkelt bzw. geschwächt, doch die Wahrheit der Dinge zu erfassen versteht, zumindest bei den Grundwerten, die die Existenz einzelner und der Gesellschaft ermöglichen. Dem Gewissen jedes Menschen stehen sie vor Augen und sie bilden das gemeinsame Erbe der Menschheit. Beruft sich das gemeinsame Gewissen nicht gerade darauf, wenn es die Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt, obwohl sie von einem Gesetzgeber legalisiert wurden? In der Tat liegt das Naturgesetz, gerade weil es von Gott in das Herz eingeschrieben ist, jedem von Menschen gemachten Gesetz voraus und ist Maßstab für dessen Gültigkeit“ (eig. Übers.)

3. Gesetzgebung – Leitlinien für katholische Politiker: (a) Erwägungen zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen

Some Considerations Concerning the Response to Legislative Proposals on Non-discrimination of Homosexual Persons, 23. Juli 1992; DeS 11 (1995); Documenta 77; OR 24.7.1992, 4; EV 13, 992-997; LE 5479; Dokumenty, II, 31; DocCath 89 (1992) 783-785 [franz.]

Angesichts der Dringlichkeit musste sich die Glaubenskongregation gleich zweimal mit der Frage der Homosexuellen-Gesetzgebung befassen, nämlich 1992 („Some considerations“) und 2003 („Considerazioni“). Das erste, in englischer Sprache verfasste Dokument wiederholt in einem ersten Teil die Lehre des Schreibens von 1986 und fasst sie prägnant in 9 Punkten zusammen. Der zweite Teil wendet die Prinzipien auf eine Reihe von Gesetzesinitiativen an, die die sexuelle Orientierung ähnlich wie Rasse oder Herkunft als Quelle positiver Rechte betrachten, also z.B. für die Zuweisung von Familienleistungen oder für affirmative Aktion mit Vorzugsbehandlung, oder die sie unter den besonderen Schutz der Menschenrechte stellen. Die Erwägungen wenden dagegen ein:

„Die ‚sexuelle Orientierung‘ stellt keine Eigenschaft dar, die im Bezug auf die Nichtdiskriminierung mit Merkmalen wie Rasse, ethnischer Herkunft, usw. vergleichbar wäre (vgl. Schreiben, Nr. 3). Im Unterschied zu diesen ist die homosexuelle Orientierung eine objektive Unordnung und gibt in moralischer Hinsicht Anlaß zur Sorge. Es gibt Bereiche, in denen es keine ungerechte Diskriminierung ist, die sexuelle Veranlagung in Betracht zu ziehen, wie z.B. bei der Zuweisung von Kindern zur Adoption oder bei der Auswahl von Pflegeeltern, der Einstellung von Sportlehrern, oder im Militärdienst. Homosexuelle Personen haben als menschliche Personen dieselben Rechte wie alle anderen Menschen, und ihre Personenwürde darf keinesfalls verletzt werden (vgl. Nr. 10). Abgesehen von den anderen Rechten haben alle Menschen das Recht auf Arbeit, auf Wohnung usw… Doch nichtsdestoweniger sind dies keine absoluten Rechte. Sie können aufgrund eines Verhaltens, das objektiv als ungeordnet zu bezeichnen ist, zu Recht eingeschränkt werden. Dies ist zuweilen nicht nur rechtmäßig, sondern verpflichtend, und zwar nicht nur im Falle schuldigen Verhaltens, sondern auch im Falle von Handlungen geistig oder körperlich kranker Menschen. So wird es ja auch akzeptiert, daß der Staat z.B. im Falle von Menschen, die ansteckende Krankheiten haben oder geistig krank sind, die Ausübung von Rechten einschränken kann, um das Allgemeinwohl zu schützen.“

Zwei weitere Argumente werden angeführt: 1. Sich zu seiner sexuellen Orientierung zu bekennen bedeutet häufig, ein entsprechendes Verhalten zu praktizieren und gutzuheißen. 2. Gesetze können ein entsprechendes Verhalten sogar fördern.

„Welche sexuelle Veranlagung jemand hat, ist anderen normalerweise nicht bekannt – solange sich die Betroffenen nicht öffentlich dazu bekennen oder es durch ihre Verhaltensweisen offen zeigen. Normalerweise tun homosexuell veranlagte Personen, die den Willen haben, ein keusches Leben zu führen, anderen ihre Veranlagung nicht kund, weshalb sich auch das Problem der Diskriminierung bei der Arbeits- oder Wohnungssuche meist erst gar nicht stellt. Normalerweise tun gerade jene homosexuellen Personen ihre Homosexualität kund, die das homosexuelle Verhalten oder den Lebensstil als »indifferent oder aber positiv« (vgl. Nr. 3) und daher der öffentlichen Anerkennung für würdig betrachten. Und zu dieser Personengruppe zählen meist diejenigen, die »versuchen, die Kirche zu manipulieren, indem sie die oft gutgläubig gegebene Unterstützung ihrer Hirten für die Änderung staatlicher Regelungen und Gesetze zu gewinnen versuchen« (vgl. Nr. 5), und jene, die »die Taktiken des Protests benutzen und erklären, jede Art von Kritik oder Vorbehalt gegenüber homosexuellen Personen… sei ungerechte Diskriminierung« (vgl. Nr. 9). Ferner besteht die Gefahr, daß eine Gesetzgebung, die aus der Homosexualität eine Grundlage für das Einfordern von Rechten macht, einen Menschen mit homosexueller Veranlagung dazu verleiten könnte, seine Homosexualität kundzutun oder sogar einen Partner zu suchen, um die gesetzlichen Verfügungen auszunutzen“ (14).

(b) Considerazioni circa i progetti di riconoscimento legale delle unioni tra persone omosessuali, 3 giugno 2003

Documenta 102; OR 1.08.2003, p. 4; Communicationes 35 (2003) 214-223

Das italienisch verfasste zweite Dokument von 2003 hat Staaten vor Augen, die inzwischen auch eine vollständige Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften zur Ehe anzielen, häufig einschließlich eines Adoptionsrechtes. Dass die Kirche sich dem entgegenstellt, hat damit zu tun, dass sie hier keine christliche Sondermoral vertritt, sondern das natürliche Sittengesetz verteidigt: „Weil es sich um eine Materie handelt, die das natürliche Sittengesetz betrifft, werden die folgenden Argumente nicht nur den Gläubigen vorgelegt, sondern allen Menschen, die sich für die Förderung und den Schutz des Gemeinwohls der Gesellschaft einsetzen“ (1).

Es hebt dazu in einem ersten Teil (2.-4.) die Einzigartigkeit der Ehe zwischen Mann und Frau hervor, der keine andere Lebensgemeinschaft gleichgestellt werden kann: „Keine Ideologie kann dem menschlichen Geist die Gewissheit nehmen, dass es eine Ehe nur zwischen zwei Personen verschiedenen Geschlechts gibt, die durch die gegenseitige personale Hingabe, die ihnen eigen und ausschließlich ist, nach der Gemeinschaft ihrer Personen streben. Auf diese Weise vervollkommnen sie sich gegenseitig und wirken mit Gott an der Zeugung und an der Erziehung neuen Lebens mit“ (2). Dies gilt für jeden Menschen und alle Kulturen kraft der Naturordnung; die Offenbarung hat diese Eigenschaften der Ehe bestätigt und vertieft (3). Unmissverständlich heißt es darum: „Es gibt keinerlei Fundament dafür, zwischen den homosexuellen Lebensgemeinschaften und dem Plan Gottes über Ehe und Familie Analogien herzustellen, auch nicht in einem weiteren Sinn. Die Ehe ist heilig, während die homosexuellen Beziehungen gegen das natürliche Sittengesetz verstoßen“ (4).

In dieser Materie kann jeder das Recht auf Einspruch aus Gewissensgründen geltend machen

Im zweiten Teil (5) werden drei Formen von Gesetzen vorgestellt und einer Bewertung unterzogen: Toleranz, Beseitigung von Diskriminierung und volle Gleichstellung.

„Wo der Staat eine Politik der Toleranz des Faktischen betreibt, die nicht das Bestehen eines Gesetzes einschließt, das solchen Lebensformen ausdrücklich eine rechtliche Anerkennung verleiht, müssen die verschiedenen Aspekte des Problems sorgfältig unterschieden werden. Das Gewissen fordert in jedem Fall, Zeugnis abzulegen für die ganze sittliche Wahrheit, der sowohl die Billigung homosexueller Beziehungen wie auch die ungerechte Diskriminierung homosexueller Menschen widerspricht. Deshalb sind diskrete und kluge Stellungnahmen nützlich, die zum Beispiel folgenden Inhalt haben könnten: den instrumentalen oder ideologischen Gebrauch aufdecken, den man von einer solchen Toleranz machen kann; den unsittlichen Charakter dieser Art von Lebensgemeinschaften klar herausstellen; den Staat auf die Notwendigkeit hinweisen, das Phänomen in Grenzen zu halten, damit das Gewebe der öffentlichen Moral nicht in Gefahr gerät und vor allem die jungen Generationen nicht einer irrigen Auffassung über Sexualität und Ehe ausgesetzt werden, die sie des notwendigen Schutzes berauben und darüber hinaus zur Ausbreitung des Phänomens beitragen würde. Jene, die diese Toleranz gebrauchen, um bestimmte Rechte für zusammenlebende homosexuelle Personen einzufordern, müssen daran erinnert werden, dass die Toleranz des Bösen etwas ganz anderes ist als die Billigung oder Legalisierung des Bösen. Werden homosexuelle Lebensgemeinschaften rechtlich anerkannt oder werden sie der Ehe gleichgestellt, indem man ihnen die Rechte gewährt, die der Ehe eigen sind, ist es geboten, klar und deutlich Einspruch zu erheben. Man muss sich jedweder Art formeller Mitwirkung an der Promulgation und Anwendung von so schwerwiegend ungerechten Gesetzen und, soweit es möglich ist, auch von der materiellen Mitwirkung auf der Ebene der Anwendung enthalten. In dieser Materie kann jeder das Recht auf Einspruch aus Gewissensgründen geltend machen“ (5).

Der 3. Teil ist vielleicht der originellste dieser Erwägungen, stellt er doch eine Sammlung von Argumenten und Erwiderungen für die öffentliche Diskussion dar. Zunächst grundsätzlich: Gegen ein irriges Verständnis der Säkularität der Rechtssphäre wird klargestellt, dass Gesetze das Gewissen nur insofern binden, als sie dem natürlichen Sittengesetz und damit der Schöpfungsordnung nicht widersprechen. Genau dies ist aber bei vielen Gesetzesnovellen in diesem Bereich der Fall. „Jedes von Menschen erlassene Gesetz hat den Charakter eines Gesetzes, insoweit es mit dem natürlichen Sittengesetz, das von der rechten Vernunft erkannt wird, übereinstimmt und insbesondere die unveräußerlichen Rechte jeder Person achtet. Die Gesetzgebungen zu Gunsten der homosexuellen Lebensgemeinschaften widersprechen der rechten Vernunft, weil sie der Lebensgemeinschaft zwischen zwei Personen desselben Geschlechts rechtliche Garantien verleihen, die jenen der ehelichen Institution analog sind. In Anbetracht der Werte, die auf dem Spiel stehen, könnte der Staat diese Lebensgemeinschaften nicht legalisieren, ohne die Pflicht zu vernachlässigen, eine für das Gemeinwohl so wesentliche Einrichtung zu fördern und zu schützen, wie es die Ehe ist“ (6). Privates Verhalten mag Toleranz verlangen, aber seine rechtliche Billigung oder gar Förderung manipuliert die Einstellung der Menschen, nicht zuletzt der jungen Menschen (6). Das Kindeswohl muss vor dem Wunsch nach Elternschaft gleichgeschlechtlicher Paare stehen (7). Die Ehe wird bei einer solchen Gleichstellung radikal neu definiert, so dass ihr wesentliche Elemente nun fehlen (8). Überhaupt ist Gleichstellung nur da verletzt, wo jemandem ein auch wirklich zustehendes Recht vorenthalten wird. Das gilt aber weder für die Gleichstellung von Lebensformen, die gerade keine Ehe sind, noch für die sexuelle Selbstbestimmung und Autonomie:

„Wenn man den Lebensformen, die weder ehelich sind noch sein können, den sozialen und rechtlichen Status der Ehe nicht zuerkennt, widerspricht dies nicht der Gerechtigkeit, sondern wird im Gegenteil von ihr gefordert. Auch auf das Prinzip der rechten persönlichen Autonomie kann man sich vernünftigerweise nicht berufen. Eine Sache ist es, dass die einzelnen Bürger frei Tätigkeiten ausüben können, für die sie Interesse hegen, und dass diese Tätigkeiten im Großen und Ganzen in den allgemeinen bürgerlichen Freiheitsrechten Platz haben. Eine ganz andere Sache ist es, dass Tätigkeiten, die für die Entwicklung der Person und der Gesellschaft keinen bedeutsamen, positiven Beitrag darstellen, vom Staat eine eigene qualifizierte rechtliche Anerkennung erhalten. Die homosexuellen Lebensgemeinschaften erfüllen auch nicht in einem weiteren analogen Sinn die Aufgaben, deretwegen Ehe und Familie eine eigene qualifizierte Anerkennung verdienen. Es gibt jedoch gute Gründe zur Annahme, dass diese Lebensgemeinschaften für die gesunde Entwicklung der menschlichen Gesellschaft schädlich sind, vor allem wenn ihr tatsächlicher Einfluss auf das soziale Gewebe zunehmen würde“ (8).

Was aber ist mit der Fürsorge und Unterstützung, die Partner füreinander leisten? Solche privatrechtlichen vertraglichen Bindungen z.B. im Fall einer Erkrankung sind auch ohne eheähnliche Rechtsformen immer möglich (9). Die Erklärung schließt im 4. Teil mit einem Verhaltenscodex für katholische Politiker: Sie sollen neuen unrechten Gesetzen entgegentreten, sich von bereits bestehenden distanzieren und können allenfalls bei der Abschwächung solcher Gesetze mitwirken, auch wenn diese nicht rundum zufriedenstellend sind – ein Vorgehen, das Johannes Paul II. in seiner Enzyklika „Evangelium vitae“ (73) bereits für Gesetze im Bereich des Lebensschutzes angeregt hatte (10).

NB: Zur Vertiefung könne auch zwei Dokumente des Päpstliches Rates für die Familie dienen:

  • Famiglia, matrimonio e „unioni di fatto“ (26. Juli 2000, bes. Nr. 23).
  • Lettera ai Presidenti delle Conferenze Episcopali d’Europa circa la risoluzione del Parlamento Europeo in merito alle coppie omosessuali (25. März 1994)

4. Keuschheit – (a) die Ablehnung von Segensfeiern für homosexuelle Paare: Responsum ad dubium (22. Februar 2021)

Responsum ad dubium der Kongregation für die Glaubenslehre über die Segnung von Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts

Vgl. Kommentar zum Responsum ad dubium

Mit dem Wesen der von der Kirche erteilten Segnung ist daher nur vereinbar, was an sich darauf hingeordnet ist, diesen Plänen zu dienen

Als direkte Antwort auf den „Synodalen Weg“ und seine Forderung nach Segensfeiern ist diese Antwort der Glaubenskongregation entstanden. Sollen solche Feiern nicht als Mittel der Seelsorge und als Ausdruck der Wertschätzung von Betroffenen und den in ihren Beziehungen gelebten Werten ermöglicht werden? Die Glaubenskongregation weist in ihrer Antwort einmal mehr jede Art von Herabsetzung und Diskriminierung zurück. Doch Segensfeiern sind für sie kein probates Mittel. Denn bei einer Segnung handelt es sich um eine Sakramentalie. Sie ist hingeordnet auf Sakramente und Heiligung des Lebens in verschiedenen Situationen.

„Um der Natur der Sakramentalien zu entsprechen, ist es deshalb erforderlich, dass, wenn über einige menschliche Beziehungen ein Segen herabgerufen wird, abgesehen von der rechten Absicht derjenigen, die daran teilnehmen, die zu segnende Wirklichkeit objektiv und positiv darauf hingeordnet ist, die Gnade zu empfangen und auszudrücken, und zwar im Dienst der Pläne Gottes, die in die Schöpfung eingeschrieben und von Christus dem Herrn vollständig offenbart sind. Mit dem Wesen der von der Kirche erteilten Segnung ist daher nur vereinbar, was an sich darauf hingeordnet ist, diesen Plänen zu dienen.“

Homosexuelle Paare erbitten den Segen nicht einfach für eine Freundschaftsbeziehung, sondern für ihre Geschlechtsgemeinschaft. Das wird bei aller Rhetorik der Liebe und Verantwortung füreinander meist unterschlagen. Diese Geschlechtsgemeinschaft steht aber eindeutig gegen die Schöpfung und die Pläne Gottes. Danach ist diese Gemeinschaft die von Mann und Frau und keine andere.

Es wird oft gemahnt, dass solche Segnungen nicht mit der sakramentalen Trauung verwechselt werden können. Das ist wichtig, aber nicht der springende Punkt. Das würde z.B. für eine Verlobung gelten, die ja ein Versprechen der sakramentalen Trauung ist. Da ist klar die Ausrichtung auf die spätere sakramentale Ehe gegeben. Ähnliches gilt für die Segensfeier eines Kindes, das später getauft werden soll. Aber selbst wenn jede Verwechslung ausgeschlossen wäre, bleiben solche Segnungen doch unmöglich. Warum? Weil nicht etwas unter den Segen Gottes gestellt werden kann, was seiner Schöpfungsordnung direkt widerspricht.

So ist diese Antwort der Glaubenskongregation argumentativ durchaus stark, weil differenziert. Sie erschließt auch positiv Möglichkeiten für Liturgie und Seelsorge, die von den Kritikern meist übersehen wurden:

„Die Erklärung der Unzulässigkeit von Segnungen der Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts ist daher weder eine ungerechte Diskriminierung noch enthält sie die Absicht, eine solche zu sein, sondern ruft die Wahrheit des liturgischen Ritus in Erinnerung und das, was dem Wesen der Sakramentalien zutiefst entspricht, so wie die Kirche sie versteht. Die christliche Gemeinschaft und die geistlichen Hirten sind aufgerufen, Menschen mit homosexuellen Neigungen mit Respekt und Takt aufzunehmen; sie werden im Einklang mit der kirchlichen Lehre die am besten geeigneten Wege zu finden wissen, um ihnen das Evangelium in seiner Fülle zu verkünden. Diese Personen mögen gleichzeitig die aufrichtige Nähe der Kirche anerkennen – die für sie betet, sie begleitet, mit ihnen den Weg des christlichen Glaubens teilt [9] – und ihre Lehren mit aufrichtiger Bereitwilligkeit annehmen. Die Antwort auf das vorgelegte Dubium schließt nicht aus, dass Segnungen einzelnen Personen mit homosexueller Neigung gespendet werden, die den Willen bekunden, in Treue zu den geoffenbarten Plänen Gottes zu leben, wie sie in der kirchlichen Lehre vorgelegt werden; sie erklärt jedoch jede Segnungsform für unzulässig, die dazu neigt, ihre Verbindungen anzuerkennen. In diesem Fall würde die Segnung nämlich die Absicht zum Ausdruck bringen, nicht bestimmte Einzelpersonen dem Schutz und der Hilfe Gottes im oben genannten Sinne anzuvertrauen, sondern einen Entschluss und eine Lebenspraxis zu billigen und zu fördern, die nicht als objektiv auf die geoffenbarten Pläne Gottes hingeordnet anerkannt werden können.“

(b) Zulassung von Personen mit homosexuellen Tendenzen für das Priesterseminar und zu den heiligen Weihen (2005): Kongregation für das Katholische Bildungswesen: Instruktion über Kriterien zur Berufungsklärung von Personen mit homosexuellen Tendenzen im Hinblick auf ihre Zulassung für das Priesterseminar und zu den heiligen Weihen vom 04.11.2005

Etwa ab 2000 wurde das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs durch Priester bekannt. Dabei zeigte sich auch, dass zwischen 60 und 75 % der Opfer männlichen Geschlechtes waren. Zudem deutete sich an, dass es in Priesterseminaren, im Klerus und in manchen Orden einflussreiche Netzwerke gab, die homosexuelle Binnenkulturen schufen. Bereits als Präfekt der Glaubenskongregation war Joseph Ratzinger ein Vorkämpfer gegen jede Form der Relativierung oder Vertuschung des Missbrauchs. Bald nach seiner Papstwahl zog er gewissermaßen die Notbremse. So verfügte die Bildungskongregation, dass Personen nicht ins Seminar oder zur Weihe zugelassen werden dürfen, die Homosexualität praktizieren, tiefsitzende homosexuelle Tendenzen haben oder eine so genannte homosexuelle Kultur unterstützen“:

„Die tiefsitzenden homosexuellen Tendenzen, die bei einer gewissen Anzahl von Männern und Frauen vorkommen, sind ebenfalls objektiv ungeordnet und stellen oft auch für die betroffenen Personen selbst eine Prüfung dar. Diesen Personen ist mit Achtung und Takt zu begegnen; man hüte sich, sie in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen. Sie sind berufen, den Willen Gottes in ihrem Leben zu erfüllen und die Schwierigkeiten, die ihnen erwachsen können, mit dem Kreuzesopfer des Herrn zu vereinen. Im Licht dieser Lehre hält es dieses Dikasterium im Einverständnis mit der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung für notwendig, mit aller Klarheit festzustellen, dass die Kirche – bei aller Achtung der betroffenen Personen – jene nicht für das Priesterseminar und zu den heiligen Weihen zulassen kann, die Homosexualität praktizieren, tiefsitzende homosexuelle Tendenzen haben oder eine so genannte homosexuelle Kultur unterstützen. Die genannten Personen befinden sich nämlich in einer Situation, die in schwerwiegender Weise daran hindert, korrekte Beziehungen zu Männern und Frauen aufzubauen. Die negativen Folgen, die aus der Weihe von Personen mit tiefsitzenden homosexuellen Tendenzen erwachsen können, sind nicht zu übersehen. Falls es sich jedoch um homosexuelle Tendenzen handelt, die bloß Ausdruck eines vorübergehenden Problems, wie etwa eine noch nicht abgeschlossene Adoleszenz sind, so müssen sie wenigstens drei Jahre vor der Diakonenweihe eindeutig überwunden sein.“

Es geht bei dieser Notmaßnahme nicht um eine Diskriminierung. Die Kirche bleibt ja frei in der Wahl ihrer Diener, und es gibt kein Anrecht auf die Weihe, das vorenthalten werden könnte. Nun hat die schmerzliche Erfahrung des sexuellen Missbrauchs gezeigt, dass offensichtlich nicht wenige Priester mit homosexuellen Tendenzen (und zwar nicht nur Pädophile im fachpsychologischen Sinn) zu Tätern geworden sind. Darum ließ es der Schutz der Opfer, der jedes auch nur eventuelle Risiko ausschließen muss, und das Gemeinwohl („bonum commune“) der Kirche geraten erscheinen, diesen scharfen Schnitt zu ziehen. Das hieß praktisch auch: Seitens des Bewerbers für das Seminar oder für die Weihe besteht eine Auskunftspflicht zu diesem Punkt im „forum internum“. Dies hat auch das „Allgemeine Ausführungsdekret“ „Das Geschenk der Berufung zum Priestertum“ (8. Dezember 2016) der Kleruskongregation unterstrichen:

„Wenn ein Kandidat Homosexualität praktiziert oder tiefsitzende homosexuelle Tendenzen hat, sind der Spiritual wie auch der Beichtvater im Gewissen verpflichtet, ihm abzuraten, weiter den Weg zur Weihe zu beschreiten“. Auf jeden Fall „[wäre] es […] in schwerwiegendem Maß unehrlich, wenn ein Kandidat die eigene Homosexualität verbergen würde, um – trotz allem – zur Weihe zu gelangen. Eine derart unaufrichtige Haltung entspricht nicht dem Geist der Wahrheit, der Zuverlässigkeit und der Verfügbarkeit, der die Persönlichkeit jener auszeichnen muss, die sich berufen fühlen, Christus und seiner Kirche im priesterlichen Amt zu dienen.“

Überblickt man die vielen Aussagen der lehramtlichen Dokumente, so sucht man am Ende nach der griffigen Zusammenfassung. Sie ist im „Katechismus der katholischen Kirche“ Nrr. 2357-2359 gegeben:

2357 „Homosexuell sind Beziehungen von Männern oder Frauen, die sich in geschlechtlicher Hinsicht ausschließlich oder vorwiegend zu Menschen gleichen Geschlechtes hingezogen fühlen. Homosexualität tritt in verschiedenen Zeiten und Kulturen in sehr wechselhaften Formen auf. Ihre psychische Entstehung ist noch weitgehend ungeklärt. Gestützt auf die Heilige Schrift, die sie als schlimme Abirrung bezeichnet [Vgl. Gen 19,1-29; Röm 1,24-27; 1 Kor 6,10; 1 Tim 1,10], hat die kirchliche Überlieferung stets erklärt, ‚daß die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind‘ (CDF, Erkl. ‚Persona humana‘ 8). Sie verstoßen gegen das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen. Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit. Sie sind in keinem Fall zu billigen.

2358 Eine nicht geringe Anzahl von Männern und Frauen sind homosexuell veranlagt. Sie haben diese Veranlagung nicht selbst gewählt; für die meisten von ihnen stellt sie eine Prüfung dar. Ihnen ist mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgend einer Weise ungerecht zurückzusetzen. Auch diese Menschen sind berufen, in ihrem Leben den Willen Gottes zu erfüllen und, wenn sie Christen sind, die Schwierigkeiten, die ihnen aus ihrer Veranlagung erwachsen können, mit dem Kreuzesopfer des Herrn zu vereinen.

2359 Homosexuelle Menschen sind zur Keuschheit gerufen. Durch die Tugenden der Selbstbeherrschung, die zur inneren Freiheit erziehen, können und sollen sie sich – vielleicht auch mit Hilfe einer selbstlosen Freundschaft -‚ durch das Gebet und die sakramentale Gnade Schritt um Schritt, aber entschieden der christlichen Vollkommenheit annähern.“

Ein Gedanke zu „Homosexualität und kirchliches Lehramt

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