Osterrätsel 2022 – die Auflösung
Gelöst haben das Osterrätsel 2022 viele, und mir scheint, die Rätselnuss hat dieses Mal nicht zu viel Kopfzerbrechen gemacht. Zumindest gab es viele Einsendungen, die meisten richtig. Ein Kompliment an alle Rätseler! Und was war die Lösung? Es handelte sich um die Hauptstadt Tschechiens Prag mit seiner weltberühmten Karlsbrücke und seiner Figur die heiligen Luitgard von Tongern. Auf Prag wiesen ein paar ziemlich direkte Anspielungen hin:
- der Prager Fenstersturz, der den Dreißigjährigen Krieg auslöste, als die tschechischen protestantischen Stände den kaiserlichen Botschafter aus dem Fenster der Karlsburg warfen;
- der Prager Frühling, die zarte Pflanze eines Reformkommunismus, den die sowjetischen Panzer 1968 niedermachten;
- eine dunkle Erinnerung war aber auch die an das Münchener Abkommen von 1938, die das Ende der Tschechischen Republik besiegelte (heute befindet sich im Gebäude der Unterzeichnung die Musikhochschule in de Arcisstraße);
- die Stadt der Literatur – hier war auf die großen Juden Franz Kafka und Franz Werfel angespielt; Werfels Jeremias-Roman war schon einmal Gegenstand eines Rätsels und seiner Auflösung;
- nicht auf einen Fenster-, sondern auf einen Brückenstürz von der Prager Karlsbrücke bezog sich der Hinweis auf den Heiligen des Schweigens, genauer des Beichtgeheimnisses, Johannes Nepomuk, dessen Bildnis darum unzählige Brücken vor allem in Süddeutschland und Österreich ziert.
Womit wir uns wieder auf der Karlsbrücke eingefunden haben. Dort findet sich die vielleicht schönste Figur die heilige Zisterzienserin Luitgard von Tongern, die der Bildhauer Matthias Bernhard Braun 1710 schuf, also noch im vollsten Barock. Vorlage war ihm das Gemälde “Der Traum der heiligen Luitgard” von Peter Johann Brandl. Doch wer war die hl. Luitgard und was stellt die Figurengruppe dar?
Daraus empfing sie so viel Süßigkeit, dass sie von da an im Dienst Gottes kräftiger und heiterer war.
Über die hl. Luitgard – nicht zu verwechseln mit der hl. Luitgard von Wittichen (1291-1348) – sind wir recht gut durch die Biographie des Dominikaners Thomas von Cantimpré informiert, eines Zeitgenossen der Heiligen, der sie persönlich kannte und vieles in seiner Vita direkt von ihr erfahren hat (“sicut familiarissimus ejus”, BHL 4950). Ihr Name ist ein deutscher: „Luit“ kommt von „liut“=Volk und „gard“=bewahren/Bewahrerin. Die flämische Luitgard (oder auch Lutgard; * 1182 in Tongern; † 16. Juni 1246 in Aywières/Ottignies bei Brüssel, was auch ihr Gedenktag ist) trat zunächst bei den Benediktinerinnen als Novizin ein, wurde dort auch Priorin, wechselte dann aber auf Rat ihrer heiligen Freundin Christina von Stommeln ins Zisterzienserinnenkloster von Aywières ein. Die Strenge der Ordensregel verdoppelte sie noch durch ihre Abtötungen und Opfer zur Sühne für die Sünder. Sie wurde mit zahlreichen Visionen begnadet, u.a. zum Herzen Jesu, zum Fegfeuer und zur Muttergottes. Zur Herz-Jesu-Frömmigkeit gehört nun auch der Vorfall, der auf der Karlsbrücke und an zahlreichen anderen Orten dargestellt ist. In seiner Vita berichtet Thomas nämlich, dass Luitgard in noch zartem Alter und Konstitution und noch bei den Benediktinerinnen eines Nachts zur Gebetszeit der Matutin von heftigem Schweißausbrüchen geplagt worden sei. Da sagte sie zu sich, sie solle nun lieber weiterschlafen, um wieder für den Dienst Gottes gestärkt zu werden. Doch in diesem Augenblick ließ sich eine Stimme vernehmen: „Steh rasch auf! Was liegst du noch auf dem Lager? Du musst gleich für die Sünder Buße tun, die sich in ihren Sünden wälzen, und darfst nicht deinem Schweißausbruch nachgeben.” Sie erschrak über diese Worte und stand schnell auf. Die Matutin hatte schon begonnen, und sie eilte zur Kirche. An der Kirchentür kam ihr der blutende Christus am Kreuz entgegen. Er nahm einen Arm vom Kreuzesbalken herunter und umarmte sie, die ihm entgegenlief. Da drückte sie ihren Mund auf seine rechte Seitenwunde. Daraus empfing sie so viel Süßigkeit, dass sie von da an im Dienst Gottes kräftiger und heiterer war. – In der Tat, diese Kraft brauchte sie auch, nicht zuletzt für ihre letzten elf Lebensjahre, die sie in Blindheit verbrachte.
Diese mystische Vision und bräutliche Umarmung gehört zu den bekanntesten Begebenheiten aus ihrem Leben, und sie hat seitdem viele Künstler zu Darstellungen dieser innigen, tröstlichen und liebevollen Begegnung inspiriert. Dass Christus dem, der ihm entgegengeht, herzlich den Arm um die Schulter legt und eine unbeschreibliche Nähe schenkt, erfüllt tiefste menschliche Sehnsucht. Es bringt zugleich das Kreuz, die Mitte der Erlösung, so nahe, dass es sich dem Herzen unvergesslich aufdrückt. Eine solche Liebe verleiht schließlich wie bei der zarten und geschwächten Luitgard Kraft und Zuversicht, weit über die natürlichen Kräfte hinaus.
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